Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
Der Erpresser schien die Geduld zu verlieren. Die zu zahlende Summe hatte er kurzerhand um zehn Prozent erhöht. Ort und Zeitpunkt der Übergabe waren angegeben. Keine Polizei. Und auch sonst kein Sterbenswort zu irgendjemandem. Kein Privatdetektiv. Kleine Scheine. Letzte Chance. Und wieder ein Bild, diesmal mit durchstochenen Augen. Puttmenger schluckte. Das war heftig. Er würde wohl zahlen müssen, um diesen Idioten ruhigzustellen. Aber er musste sich was einfallen lassen, um ihm bei dieser Gelegenheit auf die Spur zu kommen. Er brauchte die Fotos, und zwar alle, auch den Speicherchip oder die Negative, was auch immer.
Da gab es noch ein kleines Problem. Wie sollte er seiner Frau erklären, dass er spät nachts aus dem Haus musste? Ein Notfall in der Klinik, okay, das war einfach. Ach so, und das Geld. Das war keine Kleinigkeit, aber er hatte Schwarzgeld im Tresor, und den Rest würde er ranschaffen, irgendwie. Blieb die Frage, welche Falle er dem Erpresser stellen könnte. Was stand im Brief? Kein Privatdetektiv? Eigentlich keine schlechte Idee. Vielleicht dieser Baron aus München? Aber konnte man so jemandem vertrauen? Außerdem hatte der Mann eine Gehbehinderung, beim kleinsten Windstoß würde er umfallen. Er brauchte einen Kämpfer – aber er kannte keinen. Es war ohnehin besser, das Ding alleine durchzuziehen. Er brauchte keinen weiteren Mitwisser, aber einen Plan. Hoffentlich ließ sich seine Familie Zeit. Er musste nachdenken. Er holte die angebrochene Flasche Champagner und hoffte auf die stimulierende Wirkung der Kohlensäureperlchen und der Polyphenole.
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28
Hoffentlich beobachtete ihn niemand und verständigte die Polizei. Der Hausbesitzer liegt im Krankenhaus, und ein wildfremder Mann kämpft mit dem Türschloss. Er hasste diese Spezialschlüssel, von denen man nicht wusste, wo oben und wo unten war. So, geschafft! Emilio betrat Steixners Haus und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Keine Alarmanlage, gesegnetes Südtirol – oder grob fahrlässig. Obwohl draußen die Sonne schien, war es im Haus fast dunkel. Die schweren Vorhänge waren zugezogen, und auch viele Rollläden unten, das hatte er schon von außen festgestellt. Er fand einen Schalter und machte Licht. Puh, da würde er auch Depressionen bekommen. Eine antike Standuhr tickte, das Pendel schwang hin und her. Mitten im Raum stand ein Konzertflügel. Über dem Sofa hing ein gemaltes Porträt, wahrscheinlich seine verstorbene Frau. Steixner hatte das Haus am helllichten Tag verlassen. Wer sich umbringen will, zieht keine Vorhänge zu und lässt die Rollläden runter, das war dann auch schon egal. Offenbar hatte sich Steixner von der Außenwelt zurückgezogen. Fragte sich nur, ob schon vor Erhalt des Briefes oder erst danach?
Emilio ging zur Stereoanlage, Bang & Olufsen, vom Feinsten. Er nahm die Fernsteuerung, wählte den CD-Player. Chopin, das hörte er sofort, schon bei den ersten Anschlägen. Wenn ihn nicht alles täuschte, war das eine seiner Nocturnes. Sehr schön, aber auch nicht gerade ein Stimmungsaufheller. Wo ging es zum Arbeitszimmer? Emilio landete im Badezimmer, er öffnete die Hängeschränke über dem Waschbecken und inspizierte die reichlich vorhandenen Medikamente. Keine Frage, der Mann hatte wirklich Probleme. Gästetoilette, Kellertreppe, Küche. Dort entdeckte er auf dem Tisch eine angebrochene Schachtel mit Trüffelpralinen. Na immerhin, Schokolade sollte ja die Ausschüttung von Glückshormonen anregen. Die Menge hatte bei Steixner wohl nicht gereicht.
Emilio steckte eine Praline in den Mund, auch er konnte Glückshormone brauchen. Nun, der gestrige Abend mit Phina war nicht so schlecht verlaufen. Sie hatten auf dem Rückweg von Bozen einen Abstecher zum Marklhof in Girlan gemacht. Dort hatten sie einen angeregten und vielversprechenden Abend verbracht. Nach seinem Eindruck hatte es zwischen ihnen sogar deutlich geknistert, aber da hatte er sich offenbar getäuscht. Die Verabschiedung in Phinas Haus hatte er weit weniger förmlich erwartet. Im Bett war ihm die Erinnerung an Tatar von heimischen Tieren geblieben, natürlich aus artgerechter Aufzucht, an Ziegenfrischkäse mit hausgemachter Feigenmarmelade – und an Phinas hellblaue Augen, die einen so durchdringend ansehen konnten.
Emilio nahm die Pralinenschachtel und setzte seine Suche nach dem Arbeitszimmer fort. Im ersten Stock wurde er schließlich fündig. Hier waren sogar die Vorhänge aufgezogen, es war beängstigend hell. Ein
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