Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
Vom Netzwerk:
Lounge Chair von Charles Eames, der Schreibtisch von Corbusier. Der große Teppich war ein moderner Klassiker, er tippte auf Eileen Grey. An den Wänden handsignierte Bilder von Paul Flora. Keine Frage, Steixner hatte Geschmack und das nötige Kleingeld. Er bückte sich, fand den Umschlag unter dem Teppich, er machte es sich auf dem Lounge Chair bequem und naschte eine weitere Praline. Hatte er es eilig? Nein, hatte er nicht. Emilio schloss die Augen, ließ die Praline im Mund zergehen und entspannte. Der Umschlag konnte warten. Nur weil er jetzt zwei Aufträge zur gleichen Zeit hatte, musste er sich nicht überschlagen.
    Emilio war kurz davor einzunicken, da läutete das Telefon auf dem Schreibtisch. Einmal, zweimal, immer wieder. Der Anrufer war ganz schön penetrant. Bevor es ewig weiterklingelte, beschloss er, ranzugehen. Er meldete sich mit einem Räuspern, dann mit einem kurzen: «Ja bitte.»
    «Herr Steixner?»
    Emilio zögerte. Er war noch nicht richtig wach. Er entschied sich für ein unverbindliches «Hmmm».
    «Warum sind Sie nicht zur verabredeten Zeit ans Telefon gegangen?», sagte der Anrufer. «Sie haben doch meine Nachricht bekommen.»
    Jetzt war Emilio wach, sogar hellwach. Mit schnellem Griff zog er sein Smartphone aus der Jacke und schaltete die Sprachaufzeichnung ein. An Steixners Telefon drückte er auf den Knopf mit dem Lautsprechersymbol.
    «Ja, habe ich», antwortete Emilio. Das war kein Risiko, woher sollte der Anrufer, falls es der Erpresser war, Steixners Stimme kennen? Oder doch? Gleich würde er es wissen.
    «Dann hätten Sie ans Telefon gehen müssen. Ich mache keine Witze.»
    Emilio klemmte den Hörer hinters Ohr, öffnete mit fliegenden Händen den Umschlag und breitete den Inhalt auf dem Schreibtisch aus.
    «Das ist mir klar», sagte er, um Zeit zu gewinnen. Es ärgerte ihn, dass er sich vorhin nicht schlaugemacht hatte. Seine Augen rasten über die Unterlagen. Er überflog den Brief, sah die Fotos mit dem verbeulten Sportwagen, die Werkstatt in Bologna, die Zeitungsberichte, die zu lesen er jetzt keine Zeit hatte, mit dem Foto eines Mädchens, das laut Überschrift überfahren worden war, der Fahrer flüchtig. Ein Blatt mit der geforderten Geldsumme. Das tote Mädchen, das verbeulte Auto … Was hatte Steixner im Krankenhaus gesagt? Es sei alles wahr, hatte er gesagt. Und dass es ein tragisches Unglück gewesen sei.
    «Hören Sie überhaupt zu?», herrschte ihn der Anrufer an.
    Was hatte er vorher gesagt? Tatsächlich hatte Emilio nicht hingehört. Er hatte versucht, möglichst schnell zu verstehen, worum es ging. Und er war keine Frau, die zwei Dinge zur gleichen Zeit machen konnte.
    «Doch, doch», beschwichtigte Emilio. Und weil er sich erinnerte, dass Steixner aus Salzburg stammte, versuchte er, seiner Sprache eine leicht österreichische Färbung zu geben. «Das ist nicht leicht für mich», fuhr er fort, «ich bin völlig fertig. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch und war im Krankenhaus, deshalb konnte ich nicht ans Telefon gehen.»
    «Haben Sie das Geld?»
    «Noch nicht, der Nervenzusammenbruch, Sie verstehen …», stammelte Emilio.
    «Ich verstehe gar nichts. Sie stecken tief in der Scheiße, und wenn Sie da wieder rauskommen wollen, müssen Sie zahlen. Oder Sie wandern ins Gefängnis, so einfach ist das. Ein junges Mädchen überfahren und dann abhauen. Da sitzen Sie lange, das können Sie mir glauben.»
    «Es war ein Unglück», sagte Emilio mit weinerlicher Stimme.
    «Das interessiert keine Sau. Wann können Sie zahlen?»
    «Zwei, drei Tage brauche ich noch. Ich habe das Geld nicht flüssig, muss erst einige Anlagen abstoßen.»
    «Zwei Tage, höchstens zwei Tage, keine Minute länger. Ich rufe Sie morgen wieder an, zur gleichen Zeit.»
    «Verstanden», sagte Emilio, «ich werde da sein.»
    «Und noch was …»
    «Ja?»
    «Passen Sie auf, dass Sie nicht wieder einen Nervenzusammenbruch bekommen.» Der Anrufer lachte. «Das ist nicht gut für unsere Geschäftsbeziehung.» Dann legte er auf.
    Emilio stoppte die Aufzeichnung. Er fuhr sich durch die Haare. Verdammt, darauf war er nicht vorbereitet gewesen. Hatte er alles richtig gemacht? War es klug gewesen, sich als Steixner auszugeben? Emilio nahm wieder auf dem Lounge Chair Platz und legte die Beine hoch. Egal, er konnte es nicht mehr ändern. Außerdem eröffnete das Telefonat interessante Möglichkeiten. Er schob eine weitere Praline in den Mund und hörte sich die Aufzeichnung an. Der Mann war Südtiroler, das war

Weitere Kostenlose Bücher