Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
habe sie nicht den Hauch einer Ahnung.
Emilio sah auf die Uhr. Er war spät dran. Er müsse aufbrechen, sagte er. Er habe ihre Gesellschaft erneut sehr genossen. Phina hätte geantwortet: «Du redsch wieder gschwolln.» Valerie hauchte stattdessen: «Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.»
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Marco war bester Laune und voller Zuversicht. Gerade hatte er mit Ernst Steixner telefoniert. Der Mann war ihm etwas atemlos vorgekommen, als ob er sich zuvor gehetzt hatte. Aber er hatte keine Schwierigkeiten gemacht. Wie immer hatte Steixner eine weinerliche Stimme und schien der Herausforderung des Gesprächs kaum gewachsen. Dieses Verhalten war ihm entschieden lieber als ein polternder und aggressiver Puttmenger. Steixner hatte gesagt, dass er das Geld so gut wie zusammenhabe. Morgen Vormittag würde er die restlichen Scheine bei der Bank abholen. Ab Mittag könne die Übergabe erfolgen. Selbstverständlich würde er allen Anweisungen Folge leisten. Nein, natürlich habe er nicht die Polizei verständigt und auch sonst zu keinem ein Sterbenswörtchen gesagt. Das sei selbstverständlich, es dürfe doch kein Mensch erfahren, was er getan habe. Deshalb zahle er ja, damit das für immer ein Geheimnis bliebe. Aber im Austausch wolle er das gesamte Belastungsmaterial bekommen, das sei ja wohl die Vereinbarung.
Marco hatte es ihm versprochen.
Er stieg auf seine Vespa und lachte. Wie konnte der Mann so blöd sein. Selbstverständlich würde er von allem Kopien behalten. Sollte er mal wieder Geld brauchen, hatte er mit Steixner einen Goldesel im Stall. Im möglichen Wiederholungsfall musste er nur aufpassen, dass das Weichei nicht wieder eine Panikattacke bekam und auf Bahngleisen spazieren ging.
Marco wusste genau, wie er die Geldübergabe arrangieren würde. Er hatte Steixner gesagt, er solle sein Auto auftanken, sein Handy laden und morgen ab 14 Uhr startbereit sein. Irgendwann würde er sich melden, vielleicht aber auch erst am Abend. Etwas Spannung musste sein.
Auch mit Puttmenger hatte er Kontakt aufgenommen. Der Professor hatte was von Schwierigkeiten bei der Geldbeschaffung gefaselt, aber wenn alles glattginge, könne er morgen liefern. Marcos Geduld war am Ende. Er hatte ihm ein letztes Ultimatum bis morgen 18 Uhr gesetzt. Bestimmt dachte sich Puttmenger bis dahin eine neue Schweinerei aus, zusammen mit dem Baron, dessen Namen er sich nicht merken konnte. Der Privatdetektiv gehörte abserviert, so schnell wie möglich. Seine einzige Chance, ihn zu finden, bestand darin, Puttmengers Ansitz zu observieren. Mit etwas Glück würde er dort auftauchen, um sich mit dem Professor zu besprechen. Dann könnte Marco sich an seine Fersen heften und den richtigen Moment abwarten. Er ließ den Lenker seiner Vespa los, fuhr ein Stück freihändig. Den Baron würde er windelweich prügeln, er freute sich schon darauf. Und morgen war Zahltag. La vita è bella , das Leben ist schön – vorausgesetzt, man war in Freiheit und es gab nützliche Idioten, die für die Unkosten aufkamen.
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Noch immer hatte er keine Ahnung, wo er die kommende Nacht verbringen würde. Emilio fiel es schwer, sich darauf zu konzentrieren, was gerade Priorität hatte. Nein, es war nicht Valeries erotische Ausstrahlung, die seine Sinne vernebelte. Vielmehr kreisten seine Gedanken fortwährend um Phina. Leider war es nicht möglich, mit ihr ein ruhiges und vernünftiges Gespräch zu führen. Jetzt schon gar nicht mehr, nachdem sie ihn hochkant rausgeschmissen hatte. Wie gerne würde er mit Phina über alles sprechen, ihre Version der tragischen Ereignisse hören, versuchen, sie zu verstehen und für ihr Verhalten Verständnis aufzubringen. Er würde gemeinsam mit ihr überlegen, was zu tun sei. Sie würden einen Weg finden. Aber all das war ihm verwehrt. Stattdessen musste er sich auf die morgige Geldübergabe vorbereiten. Der Erpresser, mit dem er telefoniert hatte, wollte ihn mit dem Auto losschicken und per Handy dirigieren. Hoffentlich tat er das erst im Dunkeln, sonst merkte er womöglich noch, dass sein Opfer gedoubelt wurde. Mit Steixner hatte Emilio gesprochen. Das Geld würde ihm morgen Vormittag in die Klinik gebracht, Emilio könne es sich abholen. Dort müsste mittlerweile auch das Paket angekommen sein, das er sich an die Klinikadresse aus Deutschland hatte schicken lassen. Mit einigen netten elektronischen Geräten im Miniaturformat. Darunter ein winziger Sender, den man zwischen die
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