Tod und Leidenschaft (German Edition)
tickenden Bombe! Begreifen sie das nicht?“
Lewinsky erwiderte etwas, das Elizabeth nicht verstehen konnte.
„Mit jedem Tag gibt es mehr Mitwisser. Ein Bulle war schon bei Swetlana und hat Fragen gestellt.“
„Hat sie geredet?“
Entweder gab der Mann keine Antwort, oder sie konnte ihn einfach nur nicht hören. Dennoch war ihr alleine schon bei der Frage klar, dass diese Swetlana sich in äußerste Gefahr gebracht hatte.
„Er sollte noch diese Woche abreisen!“, sagte der Fremde hitzig.
„Nonsens“, erwiderte Lewinsky scharf. „Das ist zu früh. Es muss ein Fanal geben.“
„Er könnte jederzeit zuschlagen. Das ist nicht das Problem.“
„Nein. Er muss noch aufgeheizt werden.“
„Hören sie … dieser Satan ist nicht mehr zu kontrollieren.“
„Das haben sie schon vor Wochen behauptet …“, wischte Lewinsky die Befürchtungen des Mannes beiseite.
„Ich weiß nicht …“
„Was wissen sie nicht? Wenn wir jetzt überstürzt handeln, gefährden wir alles!“
„Ich weiß nicht …“
„Dann sage ich es ihnen: es wird so gemacht, wie er will. Übernächste Woche! So! Und jetzt reißen sie sich gefälligst zusammen! Wenn etwas schiefgeht, werde ich persönlich sie zur Verantwortung ziehen!“
Als sie die eiligen Schritte hörte, die sich auf die Tür zubewegten, konnte Elizabeth gerade noch zur Seite springen und eine Haube packen .
„Guten Tag“, knurrte der Gast und eilte nach draußen.
Elizabeth sah ihm mit gespielt verblüfftem Blick nach. Dann drapierte sie die Bänder der Haube um den Fuß des Hutständers.
Sie war ratlos. An Harris konnte und wollte sie sich nicht mehr wenden. Vor Lewinsky musste sie sich in Acht nehmen. Aber irgendjemandem musste sie doch sagen, dass diese Leute in wenigen Tagen etwas ganz Furchtbares tun würden.
Am liebsten wäre sie davon gelaufen, doch das war sinnlos, gab es doch niemanden, bei dem sie sich verstecken konnte, oder von dem Hilfe zu erwarten war.
Jetzt wog Harris Verrat noch schwerer, denn er bedrohte ihr eigenes Leben. Und nicht zuletzt jenes dieser Swetlana, von der die beiden geredet hatten.
Sie fühlte sich wie in einer Falle. Wohin sie sich auch drehte oder wendete … es schien keinen Ausweg zu geben.
Dabei war es ja nicht zuletzt ihre eigene Schuld gewesen, denn es hatte sie schließlich niemand gezwungen, sich in diese Ripper- Sache einzumischen, statt es der Polizei zu überlassen. Auch an Türen zu lauschen war ihr Einfall gewesen.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu dieser Swetlana. Das Mädchen wusste offensichtlich wesentlich mehr, als sie Elizabeth gesagt hatte. Und auch Harris schien von ihr zu wissen, denn es konnte keinen Zweifel geben, dass es sich bei dem Polizisten, der sie aufgesucht hatte, um Harris handelte.
„Miss Montgomery … es ist so unfreundliches Wetter … würden sie uns bitte einen Tee machen?“
Lewinsky war wieder ganz sein freundliches Selbst.
Elizabeth ging zu dem kleinen Ofen und kochte Wasser, mit dem sie die Teeblätter übergoss.
Der Duft wirkte beruhigend auf sie und gaukelte ihr für einen Moment vor, alles sei normal und in bester Ordnung. Dabei wusste sie doch, dass das alles andere als wahr war.
Im Gegenteil! Etwas tief in ihr sagte, dass die Dinge sich gerade zuspitzten und, dass nicht mehr nur die Huren des Eastend in Gefahr schwebten.
Sie wollten ein Fanal setzen … ein Fanal … Elizabeth wusste zwar nicht, was das genau bedeutete, doch dass es nichts Gutes verhieß, war selbst ihr klar.
Vorsichtig goss sie den Tee in zwei Tassen und brachte eine davon Mr. Lewinsky.
„Das ist nett von ihnen, mein Kind. Eine schöne Tasse heißen Tees weckt die Lebensgeister, nicht wahr?“
Sie nickte ihm stumm zu. Versuchte, die beiden Lewinskys, die sie kennengelernt hatte, zu vereinen. Sich ein Bild von diesem Mann zu machen, der zwei Seiten zu haben schien, wie jener Gott Janus aus der Mythologie.
Musste sie jetzt nicht vorsichtig jedes einzelne Wort abwägen und dabei den Anschein wahren, ihm vollkommen unbefangen gegenüber zu treten?
Elizabeth wusste nicht, wie glaubwürdig sie das verkörpern konnte.
Aber sie hatte keine andere Wahl.
So plauderte sie über der Tasse Tee mit ihrem Chef, als gebe es keinen Ripper, keine geheimnisvollen Verschwörer, keinen Harris, keinen Verrat und keine Bedrohung.
Doch in ihrem Hinterkopf formte sich der Gedanke, nach Ladenschluss noch einmal diese Swetlana aufzusuchen, denn im Moment war sie der einzige Mensch, von dem sie mehr erfahren
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