Tod und Leidenschaft (German Edition)
In der nächsten Woche …“
Jetzt war alles gesagt. Oder zumindest das, was er gerade noch laut aussprechen konnte, ohne sich vollkommen zum Trottel zu machen.
„Das scheint einleuchtend“, sagte Abberline ruhig, lehnte sich zurück und begann, seinen Backenbart an einem Ende zu zwirbeln. Harris war verblüfft. Keine amüsierte Zurückweisung? Im Gegenteil! Sein Vorgesetzter schien seine Worte sorgsam in seinen Gedanken abzuwägen.
„Herrgott, Mann … Das wäre ja eine Bombe!“
Besser hätte er selbst es nicht ausdrücken können. Adelaide plante, mit einem Mann England zu verlassen, der Kopf einer Verschwörerclique war, die mit Hilfe des Rippers die Londoner Polizei in Trab hielt, um seine Abreise in Ruhe durchführen zu können.
„Wenn sie damit Recht haben … Herrgott … Herrgott …“
Getrieben von Abberlines konsterniertem Gesichtsausdruck, eröffnete sich Harris mit einem Mal die ganze Tragweite seiner Überlegungen.
„Dann stechen wir in ein Wespennest ganz weit oben …“
Seine Finger steckten in seinem Bart fest.
„Da brauchen wir Beweise, Harris. Ohne die kann ich weder ins Innen- noch ins Außenministerium gehen. Die befördern mich mit einem Arschtritt an die Luft. Wissen sie, wie der Kerl heißt?“
„Prinz Sergeij Norotkin.“ Der Namen kam wie aus der Pistole geschossen und nun grinste Abberline doch.
„Dann wollen wir doch mal sehen, was wir über diesen Herrn so wissen …“
Er erhob sich.
„Ich sage ja … Ich hab noch was gut, bei ein paar Leuten. Warten sie hier!“
Damit zog er Mantel und Hut an und verließ den grübelnden Harris.
Und während sein Vorgesetzter nun alte Schulden geltend machte, formulierte er auf einem Stück Papier die Annonce, die er in die Times zu setzen beabsichtigte.
Fast war er dem Ripper dankbar, der noch immer sämtliche Schlagzeilen beanspruchte, denn so würde die Auflösung der Verlobung keinen so weitreichenden Skandal nach sich ziehen.
Als Abberline zurückkam, verlor Harris schlagartig jede Hoffnung.
Sein Vorgesetzter ließ sich schwer auf den Stuhl sacken und sah ihn mit zusammengepressten Zähnen an.
„Hören sie zu, mein Lieber! Was ich erfahren habe, ist Folgendes: Norotkin steht seit Monaten unter Beobachtung. Leider mussten im Zuge der Ripper- Suche die Männer reduziert werden, die ein Auge auf ihn haben. Im Moment auf die Zahl … NULL! Weiter im Text … Norotkin stammt aus einem alten Adelsgeschlecht und konspiriert offensichtlich gegen den Zaren.“
„Ein Adliger gegen den Zaren?“, fragte Harris verblüfft.
„Allerdings. Der augenblickliche Zar setzt alles daran, die Macht vom Adel weg und zur Krone hin zu lenken. Und das schmeckt den Herren offensichtlich nicht. Die Verhältnisse in Russland sind schwierig und deswegen zieht man es hierzulande vor, die Füße still zu halten, wenn es um deren Innenpolitik geht. So lange ein Immigrant sich ruhig verhält, greift man nicht ein. Norotkin hatte nun in der Vergangenheit einige Treffen mit Männern, die in Russland … nun sagen wir mal … nicht gerade ganz oben auf der Gästeliste stehen, wenn der Zar Ostern feiert.“
„Denken sie, diese Leute wollen den Zaren stürzen?“
Abberline zuckte die Schultern.
„Schätze mal, unter dem tut´s ein Russe nicht. Die sind nicht so auf Balance aus, wie wir Engländer.“
„Wir müssen dieses Wespennest ausheben, Sir! Dann kommen wir auch an den Ripper!“
Abberline zündete sich eine Zigarette an und schwieg.
„Wir beschatten Norotkin und wenn das nächste Treffen stattfindet, setzen wir den ganzen Haufen fest. Und dann nehmen wir sie so in die Mangel, bis sie uns den Ripper auf einem Silbertablett servieren!“ Er war in Fahrt. Jetzt hatten sie endlich das Seil in Händen, dessen Ende um den Hals des Whitechapel- Killers lag!
Alleine Abberlines Schweigen irritierte Harris.
„Nicht wahr, Sir?“
„Leider nicht ganz, mein Freund … Leider nicht ganz. Mir wurde bedeutet, dass keinerlei Interesse an einer Festnahme des Prinzen besteht.“
„Wie bitte?“ Harris Stimme überschlug sich beinahe.
„Es wurde von oberster Stelle klargestellt, dass eine … nun nennen wir es … Intervention nicht gewünscht wird. Da der Prinz sowieso seine Abreise plant, zieht man es vor, die Sache zu ignorieren und einen Zusammenhang mit der Mordserie sieht man sowieso nicht.“
Harris hatte eine irrwitzige Idee.
„Wenn dem so ist, dann müssen wir Norotkin nur sagen, dass er das Land ungehindert verlassen kann … wovon
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