Tod und Leidenschaft (German Edition)
ein endloses Loch. Als sei der Boden unter ihm verschwunden. Und noch etwas war da: Wut! Wut, dass er ihn erlegt hatte. Das Ende des Mörders von Whitechapel bedeutete auch das Ende seiner Verbindung zu Elizabeth Montgomery und das zu erkennen, war schlimmer als alles andere.
X
„Du bewegst dich auf dünnem Eis.“
Die Stimme ist tief und rau und ich habe keine Ahnung, wie er in meine Wohnung gekommen ist.
Ich will ihn ansehen, doch ich wende mich nicht um.
Will auch nichts sagen. Dass ich gefährlich lebe, weiß ich. Aber meine Aufgabe ist so gewichtig, dass ich keine Rücksicht auf mein eigenes Wohlergehen nehmen kann.
„Man kennt dich!“
Der Satz reißt meine Gedanken ein. Zerteilt sie wie ein Schwert.
Jetzt schaue ich doch in seine Richtung. Es ist nichts zu sehen. Schwärze.
„Wer kennt mich?“
Rede ich wirklich oder ist es nur mein tonloser Atem, der über meine Lippen streicht?
Ich bin nicht panisch, nicht einmal verunsichert. Da ist nur eine gewisse Wut in mir.
Viel zu schnell. Warum so schnell?
„Eine Hure. Sie erzählt überall rum, dass sie weiß, wer du bist.“
Ich wische seine Worte beiseite wie eine lästige Schmeißfliege.
„Eine Hure, die ihr dreckiges Maul aufreißt …“ Jetzt hört man den Zorn. Er soll bloß nicht denken, dass ich verunsichert bin. Was soll mir eine schwafelnde Nutte, die sich nur wichtigmachen will bei ihrem Gesocks?
Er hält den Atem an.
„Du musst sie aus dem Weg räumen!“
Nonsens! Soll ich wie ein alltäglicher Gauner Zeugen beseitigen? Wer bin ich, dass er so etwas von mir verlangt?
Und vor allem – was soll dieser Ton? Seit wann darf man mir Befehle erteilen? Bin ich ein Handlanger?
„Und wieso?“ Meine Stimme ist hart wie Stahl. Kalt wie Eis. Er soll wissen, dass ich kein Wasserträger bin.
„Weil sie deiner … unserer Sache gefährlich werden kann. Es gibt noch viel zu viel zu tun. Wenn sie zur Polizei rennt …“
„Nonsens! Ein prahlendes Stück Scheiße …“
Seine Sohlen scharren auf dem Boden. Wird er sich jetzt zu erkennen geben? Jetzt, da ich aufmüpfig bin?
Ich muss grinsen, weil selbst er nicht versteht, wer ist wirklich bin. Ich spiele mit ihm, wie ich mit den Bullen spiele und mit den Nutten.
Ich bin der Puppenspieler und ich ziehe an ihren verrotteten Fäden und lass sie tanzen! Nach meinem Willen.
„Wir sind noch nicht weit genug! Alles, was jetzt stört, behindert unsere Aufgabe!“ Ich höre die Unsicherheit in seiner Stimme. Er ringt um meinen Willen. Er braucht mich! Ich stehe sogar über dem Orden! Jetzt weiß ich es.
Wie amüsant diese Erkenntnis in meinen Ohren klingt. Langsam greife ich nach meinem Messer und beginne, den Apfel über dem reinen Teller zu schälen. Es ist meine Ziel, die Schale in einem Stück zu entfernen, ohne dass sie bricht. Vorsichtig ziehe ich die Klinge ein klein wenig zu tief durch das Fruchtfleisch. Es raschelt dabei und der Saft benetzt meinen Handrücken.
Eigentlich könnte ich ihm entgegenkommen. Er fürchtet meine Stärke. Meinen Eigensinn, der ihm das Spiel durchkreuzen könnte.
Warum soll nicht auch ein Gott mal Gnade zeigen?
„Und wie heißt das Dreckstück?“
„Elizabeth Stride. Man nennt sie auch Long Liz . Sie ist ziemlich bekannt. Du dürftest keine Schwierigkeiten haben, sie zu finden.“
Als hätte ich jemals Schwierigkeiten zu finden, wen ich suche, wo die höchste Macht mich leitet. Törichter Kerl im Schatten!
„Wirst du sie dir schnappen?“
Ich atme tief ein und zerteile den sauber geschälten Apfel in kleine Stücke, wobei ich das Kerngehäuse sorgfältig herausnehme.
Dann esse ich. Langsam. Es verlängert die Wartezeit für ihn, bis ich meine Entscheidung bekanntgebe.
Ich bin der Puppenspieler! Ich bestimme, wann die Zeit gekommen ist!
„Nun?“
Der letzte Bissen ist verspeist und ich genieße den süßen Geschmack in meinem Mund.
Dann nicke ich langsam.
„Dann also … Armes kleines Singvögelchen …“
Seine Haut stinkt vor Erleichterung. Ich kann es bis hierher riechen. Fast könnte ich mich ärgern, dass der Orden mir einen solchen Jammerlappen schickt. Aber ich habe meinen großmütigen Tag.
Ich warte, bis er verschwunden ist, dann beginne ich mit meinen Vorbereitungen. Dabei frage ich mich, ob ich dieser Hure die gleiche Aufmerksamkeit zukommen lassen soll, wie jenen, die mir von der höchsten Macht gewiesen werden. Natürlich könnte auch dies jetzt ein Hinweis sein, doch ich bezweifle es.
Es ist nicht das Gleiche. Also
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