Tod und Leidenschaft (German Edition)
sein. Ich bin die Strecke selbst abgelaufen. Es kann passen. Außerdem ist er bei der ersten wohl von einem Fuhrwerk gestört worden, das angefahren kam. Der Ort war nicht glücklich gewählt. Aber bei der zweiten hatte er Zeit. Und die hat er genutzt.“
Seine Worte wurden von einem Griff in seine Jackettasche begleitet. Aus ihr beförderte er eine Fotografie zutage, die er Harris reichte.
Dieser blickte darauf und ließ sie beinahe fallen.
„Was sie hier sehen, ist das, was Jack von Catherine Eddowes übrig gelassen hat.“
Harris hatte sich gefangen und betrachtete das Bild in seinen Händen. Er sah eine Frau in einer blutverschmierten Kiste. Vom Gesicht war nur wenig zu erkennen. Die Nase schien zu fehlen und schräg über ihrer Kehle klaffte eine langgezogene Wunde.
Sein Magen hob und senkte sich.
„Gütiger Herr im Himmel, Sir … Was für eine Bestie ist das?“
Abberline setzte sich zu ihm und sah ebenfalls auf das Foto, als könne man den Anblick zu zweit besser ertragen.
„Er ist ein Mensch. Und wenn mich nicht alles täuscht, ein sehr durchschnittlich wirkender noch dazu.“
„Und wie kommen sie darauf?“
„Weil wir tausende von Hinweisen bekommen und haben immer noch nichts, als ein Phantom. Sie können sich nicht vorstellen, was da draußen los ist. Das ist Eastend steht so kurz vor der Rebellion!“ Er hielt seine Hand hoch und legte Daumen und Zeigefinger dicht aneinander.
„Bürgerwehren … Hysterische Huren … Messerschwingende Raufbolde … Und Zeitungen, die sich überschlagen mit reißerischen Artikeln. Sie lassen kein noch so ekelerregendes Detail außer Acht. Wir haben inzwischen Anfragen von Journalisten aus ganz Europa. Aus den USA und sogar aus Südamerika.“
„Und wer gibt die Details raus?“ Harris war alarmiert. Natürlich wusste er selbst am besten, dass Zeitungen gut bezahlten für Informationen aus erster Hand und wie miserabel die Entlohnung der einfachen Polizisten war. Da reizte es, mal das eine oder andere aus den Akten weiterzureichen …
Dennoch empörte es ihn.
Abberline schüttelte den Kopf.
„Ich hab aufgehört, zu suchen, Harris. Wir dachten immer, diese Schmierfinken würden uns an den Stiefeln kleben … Aber inzwischen weiß ich, dass sie uns voraus sind … Ach – hol´s doch der Teufel!“ Er schleuderte seinen Hut auf die Bettdecke.
„Es wäre auch zu schön gewesen …“
„Ich werde von Tag zu Tag pessimistischer. Wir werfen jetzt schon die Polizisten, die eigentlich im Ruhestand sind, in die Straßen. Wir verkleiden sie, lassen sie in Zivil Streife gehen. Wir schicken Bluthunde los. Sogar eine Belohnung wurde jetzt ausgesetzt.“
„Das war auch Zeit“, warf Harris dazwischen.
Abrupt wandte Abberline ihm seinen Blick zu.
„So? Ja? Dann will ich ihnen jetzt mal was sagen: Dank dieser Belohnung haben wir im Eastend ungefähr zweitausend Ripper! Die Leute rennen uns die Bude ein mit ihren Verdächtigungen. Die würden ihren Großvater anzeigen, wenn sie dann kassieren könnten. Und ich werde den Scheiß- Gedanken nicht los, dass dieses Monster irgendwo da draußen hockt und sich über uns kaputtlacht.“
„Gibt es Zeugen?“
„Ja, ein paar. Wir haben auch Beschreibungen der Männer, die vorher mit den Opfern gesehen wurden. Aber das können sie vergessen. So sieht das halbe männliche Eastend aus. Und als würde das noch nicht reichen …“
Er stand auf, ohne seinen Satz zu beenden und blieb am Fenster stehen. Er blickte lange hinaus in die einbrechende Dunkelheit.
„Ja?“, ermunterte Harris.
„Jemand hat ein Gekritzel hinterlassen.“
Abberlines Betonung machte Harris klar, dass es sich dabei um keine gute Nachricht handelte.
„Der Ripper?“
Abberline zog seine Unterlippe nach innen zwischen die Zahnreihen. Sein Bart sträubte sich etwas.
„Wir wissen es nicht. Es war auf eine Mauer gekrakelt.“
„Und woher wissen wir dann …“, setzte Harris nach.
„Wir haben dort auch einen schmutzigen Fetzen gefunden, der zur Schürze des letzten Opfers gehörte.“
Er zog einen Zettel aus seiner Jacke und reichte ihn Harris
The Juews are the men that will not be blamed for nothing.
„So steht das dort?“
„Stand“, korrigierte Abberline.
„Was heißt … stand …?“
Sein Vorgesetzter nickte mit zusammengepressten Lippen.
„Ein Kollege hat es notiert und dann abgewaschen. Sonst hätten wir hier bald Pogromstimmung.“
„Es könnte sich um eine falsche Fährte handeln …“
„Gewiss … aber das
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