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Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Tod und Schinken: Krimi (German Edition)

Titel: Tod und Schinken: Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Voehl
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Oktober die Rübenernte begann, verwandelte sie sich wieder in ein rund um die Uhr Qualm ausstoßendes Monster.
    Zwei Kilometer vor der Zuckerfabrik zweigte ein Weg ab, der zu den Johannissteinen führte. Kurz davor teilte er sich erneut.
    Ich parkte den Wagen, und wir gingen zu Fuß einen schmalen Pfad entlang, der weiter in den kleinen Wald hineinführte. Er endete an einer Lichtung, auf der einige Anwesen standen. Wäre nicht aus einem Schornstein Qualm gestiegen, hätte man vermuten können, dass hier niemand lebte.
    Ollie brachte es auf den Punkt: »Glaubst du wirklich, dass wir in diesen Bruchbuden auf Menschen treffen?«
    »Keine Sorge, sie werden dir schon nichts tun.«
    Eine Haustür öffnete sich quietschend, und eine Art lebende Leiche wankte heraus. Mit steifen Schritten ging sie an uns vorbei, ohne uns zu beachten. Es handelte sich um eine Frau, vielleicht Ende dreißig, die zu Lebzeiten vielleicht einmal sehr hübsch gewesen war. Das lange, verfilzte Haar hing ihr in wirren Strähnen ins Gesicht. Bekleidet war sie mit einer Art sackfarbenem Überwurf, der ihr bis zu den Knien reichte. Die nackten, schmutzigen Füße versanken im Matsch. Es gab jedes Mal ein schmatzendes Geräusch, wenn sie den Fuß wieder herauszog. Das Wesen verschwand hinter einem Baum.
    Ollie sah mich irritiert an. »Was war das? Ein Geist?«
    »Weder ein Geist noch eine Waldfee, sondern eine von den Kommunardinnen.«
    »Aber was treibt sie dort hinten?«
    »Wahrscheinlich muss sie zur Toilette.«
    Ollie schüttelte den Kopf. »Mein Freund, wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Willst du mir weismachen, dass in einem der reichsten Länder der Welt noch steinzeitähnliche Siedlungen existieren. Ohne Toilette?«
    »Jetzt übertreib mal nicht – von wegen Steinzeit und so. Dieser Kotten ist höchstens einhundert Jahre alt.«
    »Oder ist es dieser lippische Geiz, von dem du immer redest?«
    »Sparsamkeit«, verbesserte ich ihn. »Nenn einen Lipper geizig, und er wird dir nie wieder die Hand geben. Nenn ihn sparsam, und er macht dich zu seinem Schwiegersohn …«
    »Aber es muss doch wenigstens ein – ein – wie sagt man … latrine geben?« Diesmal fehlte ihm tatsächlich die passende Vokabel.
    »Meinst du ein Plumpsklo? «, half ich ihm auf die Sprünge.
    »Irgend so was. Irgendein Zeichen von Zivilisation!«
    »Nein, gibt es nicht. Diese Gemeinschaft von Leuten ist der festen Überzeugung, dass sie alles, was sie der Erde rauben, der Erde auch wieder zurückgeben müssen. Auf direktem Wege, wenn du verstehst, was ich meine.« Jedenfalls hatte es so in der Zeitung gestanden.
    »Aber es wird doch hoffentlich eine Badewanne geben?«
    »Weder warmes noch fließendes Wasser. Das Wasser, das sie brauchen, holen sie direkt vom Brunnen. Noch Strom«, fügte ich sadistisch hinzu, um Ollies Vorstellungskraft aufs Äußerste zu quälen. »Die Männer und Frauen der Thusnelda leben im Einklang mit der Natur, so ähnlich wie unsere Vorfahren vor zweihundert Jahren.«
    Eine weitere Haustür öffnete sich. Das männliche Pendant zu der Frau schlurfte an uns vorbei. Allerdings verzog es sich hinter einen anderen Baum. Irgendwo krähte ein Hahn.
    »Sogar die Hühner scheinen hier erst am Nachmittag aufzuwachen«, wunderte sich Ollie.
    Ich klopfte an die Tür, aus der der zweite Ureinwohner entwichen war. Niemand antwortete. Aber sie war auch nicht verschlossen. Ich stieß sie vorsichtig auf.
    In dem Raum dahinter herrschte trübes Halbdunkel.
    »Seid gegrüßt, Pilger«, begrüßte uns eine sonore Stimme. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis meine Augen sich an das Licht, besser gesagt, das Nicht-Licht, gewöhnt hatten.
    Ein hageres Männchen saß mit gekreuzten Beinen auf dem nackten Boden. Es musste sich um Mutbrecht handeln, den selbst ernannten Erleuchteten dieser Sekte. Der Major hatte uns seinerzeit bildhaft geschildert, wie der Volksschullehrer Anton Backus vor zehn Jahren auf seinem Spaziergang durch die lippischen Wälder auf diese verfallene Siedlung gestoßen war. Da war ihm – nach eigenen Worten – die Thusnelda erschienen und habe ihm befohlen, an dieser Stelle ihr zu Ehren eine heilige Gemeinschaft zu gründen. Bevor sie wieder verschwand, taufte sie ihn noch auf den Namen Mutbrecht.
    Als Mutbrecht seine Vision einem Reporter der Landeszeitung kundtat, erntete er zwar viel Hohn, aber auch die ersten Anhänger. Vor allem junge Frauen fühlten sich von seinem Mutter-Erde-Kult angezogen.
    »Setzt euch«, lud Mutbrecht uns ein.
    Er

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