Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
verharrte und sah unsicher drein.
»Tut mir – tut mir leid«, murmelte er mit einem scheuen Blick auf den Fremden. Aber der hatte nur Augen für Richmodis. Und in diesen Augen fand mit einem Mal eine seltsame Veränderung statt, als braue sich ein Plan dahinter zusammen.
»Seine Nichte«, wiederholte er.
»Naja.« Sie schlenkerte mit den Armen und warf den Kopf nach hinten, daß die Locken flogen. Mit klopfendem Herzen, aber zugleich keck erhobenem Kinn trat sie ihrerseits auf ihn zu und musterte ihn. »Ob Ihr nun aber ein verehrungswürdiger Bruder seid oder nicht«, bemerkte sie spitz, »so will ich Euch doch für Euer Benehmen tadeln, genauer für die Unhöflichkeit, mir Euren Namen zu verschweigen, während ich meinen preisgegeben habe. Gebietet es nicht die Regel, sich vorzustellen, wenn man in ein fremdes Haus kommt?«
Der Mann hob belustigt die Brauen.
»Ich muß mich in der Tat entschuldigen.«
»Euren Namen also«, forderte sie.
»Hier habt Ihr ihn.«
Er holte aus und schlug ihr so plötzlich ins Gesicht, daß sie vor Überraschung sprachlos war. Der nächste Hieb schleuderte sie von den Füßen. Mit ausgebreiteten Armen flog sie über einen Hocker, prallte gegen die Wand und sank zu Boden.
Rolof schrie auf. Verschwommen sah sie ihn die Birne fortwerfen und sich auf den Angreifer stürzen. Dann wurde alles schwarz.
Rheinufer
Die Kräne ächzten unter ihrer Last, und in den Treträdern der Kräne ächzten die Windenknechte. Es war das sechste Schiff, das entladen wurde. Ausnahmslos bestand die Ware aus Ballen dichtgeschnürten holländischen Tuchs, schwer wie Blei.
Mathias überflog, an einen Stapel Kisten gelehnt, die Aufstellung der eingetroffenen Güter. Nacheinander hakte er ab, was sein Kontor zu erwerben gedachte. Das Stapelprivileg entwickelte sich zu einem soliden Pfeiler der Kölner Wirtschaft, stellte er befriedigt fest. Seit etwas über einem Jahr durfte kein Kaufmann aus Ungarn, Böhmen, Polen, Bayern, Schwaben, Thüringen, Hessen und anderen östlichen Ländern mehr über Köln hinausziehen, keiner aus Flandern, Brabant oder anderen Gegenden jenseits der Maas und den Niederlanden über Rodenkirchen hinaus, keiner vom Oberrhein weiter als Riehl, ohne seine Waren drei Tage lang öffentlich auf dem Kölner Markt feilzubieten. Die Regelung umfaßte ebenso sämtliche Güter, die auf dem Landweg hierher kamen. Alles mußte in Köln entladen beziehungsweise gestapelt werden, woraus sich der seltsame Name ableitete.
Für Mathias' Geschmack hatte die Erteilung des Stapelrechts schon viel zu lange auf sich warten lassen. Die Kölner jagten dem Privileg seit über hundert Jahren hinterher wie der Teufel der armen Seele – weil nämlich die Fahrrinne des Mittelrheins, der in Köln begann, relativ flach war, hatten die flußaufwärts fahrenden Rheinschiffer gar keine andere Wahl, als ihre Fracht hier auf kleinere Schiffe umzuladen. War es ergo nicht logisch, sie dann auch gleich zum Verkauf anzubieten? Natürlich leiteten sich aus naturgewollten Umständen keinerlei Ansprüche ab. Gott hatte den Rhein schließlich nicht in flachere Gewässer münden lassen, damit er sich dann goldschimmernd in die Börsen der Kaufleute ergoß.
Aber dann hatte ausgerechnet die Kirche den säkularen Interessen der Kaufleute und Patrizier entsprochen. Es war Konrad von Hochstaden, seiner Herde wie immer zugetan in liebevoller Abscheu, dem die Kölner das Privileg verdankten! Ein politischer Winkelzug, mit dem er sie zwar nicht am Herzen packte, aber dafür an der Gier. Das Schöne am Stapelrecht war ja, daß in den drei prallen Tagen ausschließlich Kölner kaufberechtigt waren, mehr noch, daß sie die angebotenen Waren sogar offiziell prüfen und bei Beanstandung in den Rhein kippen durften! Als Folge kamen in Köln ausschließlich der frischeste Fisch und der beste Wein auf die Tische, und auch sonst verblieben die gefragtesten aller Güter diesseits der Sauerbratengrenze.
Nur eines fuchste Mathias ungemein. Sich Konrad deswegen zu Dankbarkeit verpflichtet fühlen zu müssen. Es war eine paradoxe Situation, die einzig der pure Verstand – berechnend und emotionslos – zu beherrschen vermochte. Mathias verfügte über einen solchen Verstand, eine der wenigen Gegebenheiten, für die er seinem Schöpfer dankte. Wenigstens hin und wieder, wenn er gerade Zeit fand.
Rasch glitt sein Zeigefinger über die Listen und verblieb auf einem Posten Brokat.
»Prüfen und kaufen«, sagte er.
Der Kontorleiter an seiner
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