Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
die Gasse hoch in Richtung alte Mauer. Er zog die Schultern hoch in dem Sauwetter, schien nur noch aus Schlapphut und Mantel zu bestehen. Aber Urquhart hatte sich die Kleidung des Rothaarigen genauestens eingeprägt.
Es wurde Zeit, die leidige Sache zu beenden. Ohne sonderliche Hast setzte er sich in Bewegung und folgte dem Davoneilenden.
Der stolperte bei jedem zweiten Schritt über seine eigenen Füße, legte dabei allerdings ein erstaunliches Tempo vor. Urquhart entschied, ihm eine Weile hinterzugehen, bis er zur Ruhe kam. Irgendwann würde er aufhören, in dieser Geschwindigkeit zu rennen und Halt machen.
Es war entspannender, ihn zu töten, wenn er sich weniger bewegte.
Mantel und Schlapphut überquerten den Entenpfuhl und schlugen sich über einen schmalen Weg in die Obstund Weingärten. Hier war es so dunkel, daß man die Hand kaum noch vor Augen sehen konnte. Mit Ausnahme Urquharts. Er sah noch in einer Höllenschwärze. Seine Sinne waren wie die eines Raubtiers, sie erfaßten jede Bewegung des Läufers vor ihm. Befriedigt registrierte er, daß der Schritt des Mannes immer langsamer wurde. Gut so. Es würde bald vorbei sein.
Er fragte sich, wieviel der Rothaarige hatte rumerzählen können. Da war der Begleiter, den er mit ins Hurenhaus geschleppt hatte, scheinbar ein Freund. Es würde kein Problem sein, ihm auf die Spur zu kommen. Urquhart hatte sich seine Züge eingeprägt, als er ihnen zum Berlich gefolgt war, und die Huren würden ihm weitere Hinweise geben. Nötig war es im Grunde nicht, in dieser Sache weitere Schritte zu unternehmen. Gefährlich war nur der wirkliche Zeuge. Einen Bettler mit einer unglaublichen Geschichte aus zweiter Hand konnte man beinahe vergessen.
Aber sicher war sicher.
Sie waren nun auf der Plackgasse, einer Verbindung von St. Gereon zum Eigelstein, die parallel zur Stadtmauer verlief. Mit einer Gasse hatte sie lediglich den Namen gemeinsam. Auf ihrer ganzen Länge gab es weniger als ein halbes Dutzend landwirtschaftlicher Gebäude, ansonsten säumten Bäume und Zaunreihen den Weg, der jetzt zu einer gefährlichen Rutschbahn aus Schlamm und Kies geworden war. Die Ländereien ringsum gehörten vorwiegend den reichen Herren von Klockring, die außerdem verschiedene Zinshäuser auf der Weidengasse besaßen, wo die Plackgasse endete.
Der Rothaarige erfreute sich offenbar des Status muri.
Jetzt wurde sein Gang schleppend. Er stemmte sich mühsam gegen den peitschenden, nassen Wind, und Urquhart wunderte sich, seine Körperkräfte falsch eingeschätzt zu haben. Vor den schwarzen, dahintreibenden Wolken bogen sich die Weiden, als wollten sie den Naturgewalten huldigen. Immer noch war kein Haus zu sehen. Nicht mehr lange, und der Mann würde kein Bein vor das andere setzen können.
Im nächsten Moment rutschte er aus und saß im Matsch. Urquhart blieb stehen. Schlapphut und Mantel des Sitzenden verhüllten seine Gestalt so vollständig, daß man ihn für einen großen Stein hätte halten können. Dann bewegte er sich, versuchte, wieder hochzukommen.
Fast hatte er es geschafft.
Er hustete.
Mit wenigen Schritten war Urquhart dicht hinter ihm, hob die Armbrust, richtete sie auf seinen Nacken und drückte ab. Der Pfeil drang mit solcher Wucht ein, daß der Körper nach vorne geschleudert wurde, hart auf die Knie fiel, zusammenklappte und in einer grotesken Haltung verharrte, als preise er den Herrn.
Urquhart betrachtete ihn ohne sonderliche Regung.
Weder war er stolz auf sein Werk, noch bedauerte er den Mord. Ihm war unverständlich, wie manche, die ähnliche Taten begingen, hinterher jammerten oder sich damit brüsteten. Der Tod war einmalig, die Geschichte dieses Mannes zu Ende. Es gab nichts daran zu ändern. Nichts, worüber es sich lohnte, weiter nachzudenken.
Er drehte sich um und ging zurück in Richtung Berlich. Hinter ihm verschmolz der Tote mit der Nacht zu einem unförmigen Etwas ohne Namen und Bedeutung.
Berlich
Maria hatte sich einigermaßen beruhigt, nachdem Tilman gegangen war, aber die Stimmung war verdorben.
Jacop starrte in die Kerze.
Lange Zeit fiel kein Wort.
»Und was hast du jetzt davon?« fragte sie schließlich mürrisch.
»Wovon?«
»Daß du ihm deinen Mantel gegeben hast und deinen Hut und deinen Platz im Mauerbogen.« »Es ist doch nur für heute Nacht, Maria.« Sie zog die Nase hoch und schlang die Arme um ihren Körper, als sei ihr kalt.
»Ich bin nicht hartherzig«, sagte sie nach einer Weile.
Jacop seufzte. »Das hat auch keiner
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