Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
seinen Mantel und legte drei Äpfel auf den Tisch. Clemens riß die Augen auf, rappelte sich von seiner Feuerstelle hoch und kam herübergekrochen. Seine klobigen Finger strichen fast zärtlich über die glatte Oberfläche.
»Wo hast du die denn her? Sowas gibt's auf keinem Markt!«
»Sind vom Himmel gefallen. Komm schon, Clemens, können wir nach oben?« »Nun ja –« Jacop seufzte, langte in die Tasche und brachte einen weiteren Apfel
zum Vorschein.
»Sicher, Jacop.« Die Äpfel verschwanden in einem Korb. »Der Kunde ist eben gegangen, wie du sehen konntest.«
»Reich?«
»Nicht arm. Aber knausrig. Er zahlt den niedrigsten Tarif, und dafür geb ich ihm den Lodewig zu saufen. Gottverdammich! Scheint ihm aber zu genügen.«
»Und Wilhilde?«
»Hat Besuch.«
»Freut mich. Riecht übrigens gut, was du da auf dem Feuer hast.«
»Ja, das könnte dir so passen«, schnappte Clemens. »Ist nicht für dich! Kannst froh sein, daß ich dir nicht deine lausigen Äpfel ins Kreuz werfe!« Jacop war schon auf der Stiege nach oben, Tilman im Schlepptau. »Sag das bloß kein zweites Mal«, rief er, »du könntest den Erzbischof erzürnen.«
Clemens hob die Brauen und sah zu dem Korb hinüber.
»Und mach ihr keine Bälger«, schrie er Jacop nach.
Tilman schüttelte entnervt den Kopf und folgte Jacop in den ersten Stock. Sein Körper bebte von verhaltenem Husten. »Kannst du versuchen, eine Weile nicht zu husten?« bat Jacop. »Witzbold!« »Schon gut.« Er stieß die Tür zu Marias Kammer auf. Sie stand, ein ehemals weißes Laken um die Schultern, am Fenster und
entzündete gerade eine neue Kerze. Clemens sorgte gut für Kerzen. Als Jacop und Tilman eintraten, stellte sie den Leuchter neben das Bett, griff nach den Fensterläden und knallte sie zu.
Der Raum war kaum möbliert. Ein niedriger Tisch, zwei Hocker. Ein grob zusammengehauenes Bett, mit Stroh gefüllt, darauf eine verfilzte Decke, in der, wie Jacop wußte, mindestens so viele Läuse lebten wie Einwohner in Köln. Unter dem Fenster eine Truhe, in der sie ihre Habseligkeiten aufbewahrte. Es war ein Kleid darin, das ihr einige Monate zuvor ein Mann geschenkt hatte, den sie sehr mochte. Er redete meistens nur, wenn er sie besuchte. Eines Tages hatte er ihr das Kleid gebracht, war wieder gegangen und nie wieder erschienen. Maria wußte nicht einmal seinen Namen. Aber zum Kirchgang, wenn sie dieses Kleid anzog, schien sie Jacop mehr als jede andere einer ehrbaren Frau zu gleichen, und er wagte nicht, sich an ihrer Seite sehen zu lassen. Dann war er plötzlich überzeugt, daß sie dem Schicksal ein Schnippchen schlagen und tatsächlich einen frommen und angesehenen Mann finden würde.
Jetzt lag das Kleid in der Truhe, und die Truhe war zu. Wäre es nach dem großen geistlichen Berthold von Regensburg gegangen, hätte sie es ohnehin nie wieder anziehen dürfen. Er hatte in einer Donnerpredigt gegen das Unwesen der Dirnen gefordert, sie allesamt in gelb zu kleiden und damit der öffentlichen Ächtung preiszugeben.
Ein leerer Krug stand auf dem Tisch, ein umgekippter Becher. Der Betrunkene hatte sie an seinem Gelage nicht teilhaben lassen.
»Hast du was mitgebracht?« fragte sie ohne weitere Begrüßung.
Jacop nickte stumm und legte die Äpfel, die ihm geblieben waren, neben den Krug.
Sie lächelte und nahm ihn in die Arme, ohne ihn richtig an sich zu ziehen. Tilman schenkte sie keinen Blick. Der Kranke schüttelte sich und schlich zu einem der Stühle, wo er sich möglichst geräuschlos niederließ.
»Mir ist etwas Seltsames widerfahren« sagte Jacop und ließ sich auf das Lager fallen, daß es bedenklich in den Balken knirschte.
»Und?«
Er starrte an die Decke.
»Der Dombaumeister ist tot.«
Sie setzte sich neben ihn auf die Kante der Bettstatt und strich ihm durchs Haar, den Blick auf die Tür gerichtet. Dann sah sie ihn an. Die Ringe unter ihren Augen waren noch dunkler als sonst, aber vielleicht war es auch nur das spärliche Flackern der Kerze, das die Täler in ihre Züge furchte. Und trotzdem war sie schön. Zu schön für dieses Leben.
»Ja«, sagte sie sanft, »er hat sich ins Verderben gestürzt.«
Jacop richtete sich auf und betrachtete sie nachdenklich.
»Woher weißt du das?«
Sie hob die Hand und wies mit dem Daumen zur Wand. Dahinter hatte Wilhilde ihre Kammer.
»Hat das der Mann in ihrem Zimmer erzählt?« forschte Jacop.
»Er kam kurz vor dir, ein Leineweber. Ist oft bei Wilhilde. Er hat sofort davon angefangen. Hat es auch nur von
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