Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
Kraft der Weihe. Gott würde ihn schützen.
Der Mönch riß ihm die Schale aus der Hand und lief puterrot an.
»Bist du von allen guten Geistern verlassen?« schrie er außer sich. »Raus mit dir.« »Wartet.« Jacop lief zu einem winzigen Fensterchen neben dem Portal. »Ich werde – ich werde –« »Haltet den Mund. Draußen lauert der Teufel.« Der Mönch war sprachlos. Mit aufgerissenen Augen, soweit die Speckwülste es ihm gestatteten, bekreuzigte er sich.
Jacop spähte hinaus.
Beim Anblick des Schattens zuckte er zusammen. Er kam den Weg herunter bis vor die Kirche. Dort blieb er stehen und drehte unsicher den Kopf.
Jacop wagte nicht zu atmen.
Der Schatten ging einige Schritte weiter, blieb wieder stehen, sah herüber. Eine Weile schien sein fahler Blick direkt auf Jacop zu ruhen.
Dann fuhr sein Kopf ruckartig nach rechts, wieder nach links, hin und her. Er sah zum Himmel hinauf. Der Mond zeichnete sein Profil silbern gegen den dunklen Grund der Bäume und Mauern, goß Licht über die langen Haare.
Er ist verwirrt, frohlockte Jacop. Er kann nicht begreifen, wohin ich verschwunden bin. Sein Verstand sagt ihm, daß ich da sein muß, irgendwo in der Nähe, aber seine Sinne sagen ihm das Gegenteil.
Er wird seinen Sinnen vertrauen! Jedes Raubtier tut das.
Angespannt wartete er, bis die Gestalt ihren zögernden Schritt wieder aufnahm. Nach einer Weile war sie eins geworden mit der Dunkelheit. Der Schatten hatte ihn verloren! »Mein Sohn, die Beichte«, flüsterte der Mönch. Auf seiner Stirn hatten sich winzige Schweißperlen gebildet. Er zitterte.
»Noch ein wenig Geduld, ich bitte Euch.«
Quälend langsam kroch die Zeit durch das düstere Kirchenschiff. Der Mönch hatte es offenbar dermaßen mit der Angst vor dem Teufel zu tun bekommen, daß er nicht wagte, seinen Platz zu verlassen. Als Jacop endlich sicher war, seinen Gegner abgehängt zu haben, sank er an der kalten Steinwand nieder, schloß die Augen und schickte der heiligen Ursula ein kurzes Dankgebet. Sie war ihm von allen Heiligen die sympathischste. Kurzerhand beschloß er, ihr die Rettung seines armseligen Sünderlebens zu danken und dafür großzügig zu vergessen, daß er eben noch Mönch in St. Maximin hatte werden wollen.
»Was erzählst du da vom Teufel?« bibberte der Mönch.
Jacop schreckte hoch.
»Teufel? Ach so. Vergeßt es.«
»Und die Beichte?«
»Ach ja, die Beichte. Wißt Ihr, wenn ich's recht bedenke, hat das eigentlich noch Zeit.« »Aber –« »Eben ist mir eingefallen, daß ich heute morgen erst gebeichtet habe.
Stellt Euch vor! Oder war's gestern abend? Sagt, Vater, kann ein einfacher, ehrlicher Mann im Laufe eines Tages so viel Unfug anstellen, daß sich dafür die Beichte lohnt?«
Der Mönch glotzte ihn an, als hätte er sich verhört. Dann gewann er mit einem Mal seine Fassung zurück. Er lächelte humorlos. Ein Mondgesicht ohne die Lieblichkeit des Mondes.
»Mein lieber Sohn –«
Jacop sah zu, daß er auf die Beine kam. Der liebe Sohn klang nicht nach liebem Sohn.
» – als ich in deinem Alter war, konnte ich drei Burschen deines Formats so auf den Hut hauen, daß sie hernach durch ihre Rippen guckten wie der Hahn durchs Gitter. Dazu bin ich jetzt natürlich viel zu alt und viel zu fromm.« Er kam mit raschen Schritten heran und zerrte Jacop zum Portal. »Aber um dich mit einem gottgefälligen Tritt aus meiner Kirche zu befördern, dürfte es noch reichen!«
Jacop dachte darüber nach.
»Tja«, sagte er. »Das glaube ich auch.«
Ohne eine Erwiderung abzuwarten, öffnete er die schwere Bohlentüre, warf einen Blick auf den Weg und hastete geduckt davon. Er hoffte nur, der Schatten würde nicht doch noch auf ihn warten. Aber dieses Mal folgte ihm niemand.
Kopfschüttelnd trat der Mönch hinaus vor seine Kirche und stemmte die Arme in die Hüften.
Die Beichte!? Der rote Lump sollte ihm noch mal beichten kommen!
Dann verflog sein Ärger. Andächtig sog er die klare Luft ein und murmelte ein schnelles Ave Maria.
Was für eine schöne und friedliche Nacht.
12. September
Jacop
Jacop erwachte mit einem schrecklich trockenen Mund. Er hatte höchstens drei Stunden geschlafen, und davon waren zwei eine Qual gewesen, eine Hölle böser Träume.
Aber er lebte.
Mit schmerzenden Knochen setzte er sich auf und fragte sich einen Moment lang, warum ihm alles wehtat, als hätte man ihn ausgepeitscht oder aufs Rad geflochten. Dann sah er die Seile, auf denen er gelegen hatte. Dick wie Schlangen wanden sie sich über
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