Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
Honigschnitten und süße Kuchen mit Nüssen feilgeboten wurden. Es roch verführerisch. Eine Münze wechselte den Besitzer. Urquhart begann zu kauen und hielt Mathias ein Stück hin.
»Mögt Ihr?«
»Verdammt noch mal, nein!«
Schweigend gingen sie nebeneinander her. Es wurde enger. Die Straße war voller Menschen, die Einkäufe tätigten, Waren prüften, mit Seidenund Wappenstickern feilschten oder einfach ihren Geschäften nachgingen. Eine Schar Kinder kam kreischend aus der Richtung gelaufen, von der nun das Hämmern der Schmiede und Pfannenschläger herüberdröhnte. Es war ein beliebtes Spiel, die Männer, die vom ohrenbetäubenden Lärm ihres Handwerks sämtlich halbtaub waren, im Vorbeigehen nach der Tageszeit zu fragen und dann loszurennen, weil ihnen mit Sicherheit ein halbes Dut zend Hämmer hinterherflog. »Macht Euch keine Sorgen«, sagte Urquhart.
»Ich soll mir keine Sorgen machen?« Mathias lachte erbittert auf. »Da läuft jemand durch die Stadt, der alles verderben kann, und Ihr ergötzt Euch an Gebäck.«
»Wir werden ihn finden.«
»Wer ist wir?«
»Ich brauche ein paar Leute. Natürlich würde ich Euch nicht damit behelligen, wenn es nicht so eilig wäre. Aber ich habe keine Zeit, sie selber auszusuchen wie die Zeugen. Gebt mir drei, vier Männer aus Eurer Knecht schaft, und wenn ich Euch raten darf, die schnellsten.« »Zum Teufel mit Euch! Wißt Ihr wenigstens genau, wonach Ihr sucht?«
»Ja.« Urquhart stopfte sich das letzte Stück Kuchen in den Mund.
Mathias wurde schlecht vom Hinsehen. »Und? Wie heißt er? Wie sieht er aus? Redet!« Urquhart wischte sich die Mundwinkel ab. »Klein, schmal und rote Haare. Rot wie Ofenglut. Hört auf den Namen Jacop.«
Mathias blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Er hatte das Gefühl, als erzittere der Boden unter seinen Füßen.
»Sagt, daß Ihr lügt«, flüsterte er.
Von einer Sekunde auf die andere wich Urquharts Lässigkeit hochkonzentrierter Wachsamkeit.
»Warum?«
»Warum?« Mathias schüttelte entgeistert den Kopf. »Weil ich – nein, das kann nicht wahr sein! – weil ich diesem Jacop vor nicht ganz einer Stunde einen Gulden gegeben habe.« Urquharts buschige Brauen zogen sich zusammen. Jetzt war es an ihm, fassungslos zu sein.
»Ihr habt was?« fragte er leise.
»Einen Gulden. Jacop der Fuchs! Machte seltsame Verrenkungen vor unserem Haus in der Rheingasse. Mir kam es fast so vor, als wollte er sein – sein Haupt verhüllen.«
Natürlich. Was denn sonst?
Es war alles so klar.
»Jacop der Fuchs«, murmelte sein Begleiter anerkennend. »Ein Fuchs ist er in der Tat.« »Und ich Esel gebe ihm einen Gulden!« »Davon habt Ihr nun weiß Gott genug, Overstolz«, bemerkte Urquhart maliziös.
Mathias Overstolz, Neffe eines der reichsten und mächtigsten Dynasten unter den Kölner Patrizierfamilien und selber reich an Geld und Einfluß, fühlte sich einen fürchterlichen Augenblick lang armselig und machtlos. Dann siedete Wut in ihm hoch. Sie hatten genug gejammert und die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. Es wurde Zeit, etwas zu unternehmen.
»Schauen wir nach den Männern«, sagte er und machte kehrt. »Ich werde Euch ein Dutzend aus meiner Dienerschaft an die Seite stellen und außerdem versuchen, ein paar Soldaten aufzutreiben. Wir schildern ihnen diesen Fuchs als das, was er ist – als einen Dieb, an dessen Ergreifung das Geschlecht der Overstolzen ein primäres Interesse hat.«
»Ich werde mit den Leuten reden müssen«, sagte Urquhart.
»Läßt sich das nicht vermeiden?«
»Nein.«
»Mit den Soldaten kann ich Euch nicht reden lassen. Lorenzo, einer, dem wir Geld gegeben haben, wird sie vielleicht bereitstellen können, aber sie dürfen Euch keinesfalls sehen.«
»Ich verstehe.«
»Bei den Knechten ist das was anderes. In Eurer Minoritentracht werde ich Euch wohl in unser Haus mitnehmen können. Verhaltet Euch wie ein wahrer Geistlicher und Freund der Familie. Es geht darum, einen Dieb seiner gerechten Strafe vor Gott zuzuführen, wir sprachen darüber, und da hattet Ihr eben zufällig eine fromme Idee, wie sich das anstellen ließe.«
Urquhart nickte.
»Und was soll er gestohlen haben, unser Fuchs?«
Mathias dachte darüber nach. Dann kam ihm eine Idee. Eine köstliche Idee!
Er lächelte grimmig.
»Sagen wir ihnen, Er hat mir Geld gestohlen. Ja, das ist gut. Er hat mir Geld gestohlen. Einen Goldgulden.«
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