Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
es Wein ist – übrigens, trinken wir noch einen?«
    »Trinken wir noch einen!«
    »Was ist denn das?« entfuhr es Jacop.
    Richmodis sah grimmig in das Kellerloch hinab, aus dem rötlicher Kerzenschein flackerte. »Das? Das sind mein Vater und mein Onkel.« »Was tun sie da?« »Sie nennen es gelehrte Disputationen. Das Geleerteste daran sind hinterher die Fässer.«
    »Machen sie das öfter?«
    »Sooft sie ein Thema finden.« Richmodis seufzte. »Kommt, steigen wir zu ihnen runter. Rauf kommen die wahrscheinlich nur mit äußerster Mühe.«
    »Aber es ist früher Morgen!« rief Jacop bestürzt.
    Sie warf ihm einen verständnislosen Blick zu. »Na und? Ich danke ja schon den Aposteln, daß sie nicht im Schlafe saufen.«
    Kopfschüttelnd stieg Jacop hinter ihr die Stiege herunter und gab acht, auf den glatten Steinen nicht auszurutschen. Dann standen sie in etwas, das eher einer Höhle glich denn einem Kellergewölbe, erstaunlich groß und auf den ersten Blick als gutgefüllter Weinzapf zu erkennen. Von der Decke tropfte es unablässig. Es roch faulig und ein wenig nach der Kloake, die Jacop gleich neben dem Keller ausgemacht hatte. Das Verlies, denn kein passenderes Wort fiel ihm in diesem Moment ein, war ein Kuriosum ohnegleichen.
    Noch erstaunlicher allerdings waren die zwei Männer, die da auf dem Boden saßen, eine Kerze zwischen sich, jeder einen irdenen Krug in der Hand und unablässig debattierend, als seien Jacop und Richmodis nur zwei weitere Fässer, die man irgendwann zur Grundlage eines erneuten gelehrten Disputs machen würde. Beide mochten um die fünfzig sein. Der eine war klein, dick und völlig halslos, mit einem knallroten Gesicht und Resten von Haar, dessen Farbe im Laufe der Zeit einem Zustand zwischen braun und gar nichts gewichen war. Seine Finger waren grotesk verbogen und erinnerten an Bäume, in die der Blitz geschlagen hat. Ein dünner, lockiger Vollbart versuchte, es Jacops Schopf gleichzutun und sproß in alle möglichen Richtungen. Trotz der Kühle rann ihm der Schweiß aus sämtlichen Poren.
    Der andere war das genaue Gegenteil. Aus der schlichten Kutte ragte ein langer, dürrer Hals, auf dem ein runder Schädel unablässig vor und zurück zuckte, ausgestattet mit einer gefährlich langen, spitzen Nase und einem ebensolchen Kinn, die vereint ständig anzugreifen schienen. Bis auf die rundgebogenen Brauen war er zur Gänze kahl. In der Summierung aller körperlichen Attribute hätte er von erschreckender Häßlichkeit sein müssen, aber seltsamerweise war er es nicht. Die kleinen Augen sprühten vor Intelligenz und Übermut und um die Mundwinkel lag ein Zug beständigen Humors. Jacop mochte ihn sofort.
    Und beide redeten und lamentierten und lamentierten und redeten.
    »Ruhe!« schrie Richmodis.
    Es war, als hätte der heilige Augustinus ein Wunder getan. Sie schlossen die Mäuler und sahen sich ratlos an. Der Dicke verzog das Gesicht, als hätte er Kopfschmerzen.
    »Warum schreist du, Richmodis, mein Kind?« fragte er.
    »Jacop«, sagte sie, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Das ist Goddert von Weiden, mein lieber und leiblicher Vater. Daneben erblickt Ihr den hochgelehrten Dechanten, Doctor und Physikus Jaspar Rodenkirchen, außerdem Ordinarius und Lektor für Canonisches Recht An den Franziskanern sowie Magister der sieben freien Künste, der mein Onkel ist. Beide dürften nun seit etwa gestern Mittag in diesem Keller liegen und fragen mich, warum ich schreie.«
    »Ich bin ganz und gar der Ansicht meiner Tochter, daß wir uns unchristlich aufgeführt haben«, sagte Goddert von Weiden mit einer Stimme wie zur Grundsteinlegung. »Hättest du nicht beizeiten dein Gewölbe mit Wein gefüllt, könnte ich ein gottgefälligeres Leben führen.«
    »Die Tatsache deiner Geburt war schon nicht gottgefällig«, frotzelte Jaspar Rodenkirchen und zwinkerte Jacop zu. Sie hatten es nach einigem Hin und Her geschafft, die beiden Disputanten aus dem Keller zu locken. Auf dem Weg nach oben stritten sie sich weiter, erwiesen sich allerdings als weniger betrunken, als Richmodis befürchtet hatte. Jetzt saßen sie in der Stube des Vorderhauses unter einer erdrückend niedrigen Balkendecke um den Tisch herum, über dessen Platte ein kunstvoll gewirktes Tuch gebreitet war, das den heiligen Franziskus beim Predigen zeigte.
    »Ihr tragt meinen Mantel«, bemerkte Goddert.
    Jacop fühlte sich matt und ausgelaugt. Der Schmerz in seiner Schulter war beinahe unerträglich geworden. Am liebsten hätte er Godderts

Weitere Kostenlose Bücher