Tod und Töttchen - Westfalen-Krimi
ist kurz vor Weihnachten und auf dem Boden liegt
eine Weihnachtskarte. Halten Sie das etwa für eine Spur?«
Ich drehte die Karte um und las vor: »Weihnachten
ist das Fest der Liebe und nicht des sinnleeren Geplappers. Gehet in euch,
sprach der Herr in jener Nacht zu den Hirten auf dem Felde. Bereuet eure
Sünden, aber vor allem: Schaltet eure gottverdammten Handys aus. Andernfalls
werde ich über euch kommen wie die Plage Ägyptens und eigenhändig dafür sorgen,
dass Stille herrscht, und zwar nicht nur über den Wassern.
Hochachtungsvoll
Der Geist der blutigen Weihnacht.«
Düsseldorf zuckte mit den Schultern. »Eintüten das Ding«, befahl er.
Was Gorbitsch anging, so schien er voll und ganz damit einverstanden
zu sein, dass ich mich um das Kriminalistische kümmerte. Nachdem er bekräftigt
hatte, dass er nicht die Absicht habe, sich zu verdrücken, was er ja schon
durch sein Kommen bewiesen habe, machte er sich nützlich, indem er sich in
Begleitung eines Beamten nach nebenan begab, Kaffee kochte und Fingerfood für
alle zubereitete.
»Wie hat es sich abgespielt?«, überlegte der Kommissar. »Der Mörder
ist durch das Klofenster eingestiegen, so viel ist sicher. Dass Frau Klamm
telefonierte und dadurch abgelenkt war, nutzte er eiskalt aus. Er schlich sich
ins Wohnzimmer, fesselte sie auf dem Stuhl. Er verstreute die Tannennadeln,
schaltete die Lichterkette ein und warf die Weihnachtskarte auf den Boden. Und
dann holte er die Baumspitze und vollbrachte heimtückisch die grausame Tat.«
»Sie wissen vielleicht noch nicht, wer der Kerl ist«, sagte ich.
»Aber Sie haben ihn doch schon auf DVD . Wie
steht’s mit DNA -Spuren? Die müsste es doch hier
massenhaft geben.«
»So einfach ist die Sache leider nicht«, meinte Düsseldorf.
»Nicht?«
»Natürlich denken Sie, dass der Mörder der mysteriöse Geist der
Weihnacht ist. Weil Sie das denken sollen. Das ist eine billige Inszenierung,
nichts weiter.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Die Hirten auf dem Felde. Die Plage Ägyptens. Alles nur falsche
Spuren. Wir haben uns stattdessen die klassische Frage zu stellen: Cui bono?
Wer profitiert von der Tat?« Düsseldorfs Lächeln enthielt eine Spur von
Bedauern. »Und diese Frage ist nicht schwer zu beantworten.«
Mir fiel da auch nur einer ein. »Aber Sie denken doch nicht, dass
Gorbitsch …«
»Genau das denke ich. Auch wenn ich es nicht gern denke.«
»Unmöglich«, sagte ich. »Ich kenne Gorbitsch. Er mag unberechenbar
und sozial auffällig sein, aber er ist kein Mörder.«
»Herr Hohnecker – er wohnt zwei Häuser weiter – hat Frau Klamm
aufgefunden«, sagte Düsseldorf. »Das heißt, er kam durch den Garten und sah
durch die Terrassentür. Dann verständigte er uns.«
»Was hatte Honecker denn im Garten zu suchen?«
»Hohnecker. Die beiden waren montags immer zum gemeinsamen
Fernsehabend verabredet. Irgendeine Quizshow. Hohnecker hatte sogar einen
selbst gemachten Gurkensalat mitgebracht. Und jetzt kommt’s: Dieser Mann
versicherte uns glaubwürdig, dass er des Öfteren Zeuge war, wie Herr Gorbitsch
die Absicht äußerte, seine Nachbarin zu ermorden.«
»Glaubwürdig?« Ich lachte höhnisch. »Gorbitsch soll also den
Nachbarn über seine Mordpläne informiert haben? Das ist doch lächerlich.«
»Er hat ihn nicht informiert. Herr Gorbitsch hat Selbstgespräche
geführt. In diesen soll er sich ausführlich über diverse Mordmethoden
ausgelassen und Frau Klamm mit unflätigen Flüchen bedacht haben.« Der Kommissar
machte eine umfassende Geste. »Hier wohnt man so eng aufeinander, da können Sie
nicht mal pupsen, ohne dass der andere das mitkriegt.«
So ungern ich es zugab, das klang schon eher nach meinem Expartner.
»Aber in Selbstgesprächen sagt man so manches, das man später gar nicht so
gemeint hat.«
»Herr Gorbitsch«, erklärte der Kommissar, »kannte sich mit den
räumlichen Gegebenheiten genauestens aus. Über Frau Klamms Tagesablauf war er
besser auf dem Laufenden als jeder andere. Und er hatte ein Motiv, das stärker
ist als alles andere.«
»Nämlich?«
»Unbändiger Hass auf die Nachbarin, hervorgerufen durch endlose,
nervtötende Telefongespräche.« Düsseldorf nickte. »Glauben Sie mir, ich weiß,
wovon ich rede, Frings. Da drüben, wo ich wohne, sind die Wände so dünn wie
Papier.«
»Und warum hat er Noteboom getötet?«
»Hat er gar nicht. Er hat einfach den Weihnachtsgeist kopiert, um
seine Spur zu verwischen.«
»Ach ja? Und woher wusste er von dem Geist? Stand
Weitere Kostenlose Bücher