Tod vor der Morgenmesse
solchen Gedankengängen beschäftigte. Oft genug hatte sie es bei anderen erlebt. Doch bei allem Interesse für Überlieferungen aus grauer Vorzeit wurde sie jetzt ein wenig ungeduldig.
»Was hat das alles mit meiner Frage zu tun?« erkundigte sie sich.
Belustigt sahen sich die beiden Männer an und lachten urplötzlich los.
»Impulsiv, leicht aufbrausend und gerade heraus«, bestätigte Gaimredán seine Worte von zuvor.
Gáeth bremste sich in seinem Heiterkeitsausbruch, als er sah, daß Fidelma verärgert die Brauen zusammenzog, und hielt eine Hand, mit der Handfläche nach außen gerichtet, hoch.
»Schon gut, Lady. Hör zu. Ihr verfolgt ein ehrenwertes Anliegen. Mein Freund und ich, wir haben ein solches
naomhóg,
wie ihr es sucht. Wir benutzen es zum Fischen. Meistens fischen wir in dem See hier, Loch Gile, dem Hellen See. Manchmal fahren wir auch raus aufs Meer. Und selbst die tiefen Gewässer um die Inseln herum sind uns nicht fremd, man kann dort Langusten, Hummer, Flundern und Dorsche herausholen.«
Ihre Miene hellte sich immer noch nicht auf, und so fuhr er fort: »Was ich sagen will, ist, wir werden euch in unserem
naomhóg
raus zu den Inseln bringen.«
Fidelmas Verärgerung machte einer gewissen Verwirrung Platz.
»Und das einfach wegen der Sternkonstellation, unter der ich geboren bin?«
Gáeth schüttelte den Kopf.
|316| »Nein, wegen deines Charakters, der sich uns offenbart hat.«
»Und was verlangt ihr dafür?« fragte Eadulf, der den beiden immer noch mißtraute.
»Was verlangt ihr dafür, daß ihr euch zu den Inseln aufmacht, um herauszufinden, ob die Einsiedler noch am Leben sind und keinen Schaden genommen haben?« lautete Gáeths einfache Gegenfrage.
»Natürlich nichts. Wir machen so etwas doch nicht gegen Bezahlung.«
»Genau das ist es, was auch wir verlangen – natürlich nichts.«
Einen Augenblick lang schwiegen alle.
»Unser Unterfangen ist nicht ungefährlich«, nahm Fidelma den Gesprächsfaden wieder auf.
»Haben wir das nicht selbst gesagt?« entgegnete Gáeth. »Reicht es, wenn ich unterstreiche, daß wir es mit unserem Handeln denen heimzahlen können, die versucht haben, Unfrieden in diesem Land zu stiften? Gut, also wir haben ein
naomhóg,
das von sechs Mann gerudert werden kann, es bietet folglich Platz genug für uns alle. Eure beiden Krieger können uns beim Rudern helfen und somit das zusätzliche Gewicht im Boot mit ausgleichen. In der Kunst, wie man ein
naomhóg
rudert, können wir sie unterweisen. Einverstanden?«
Fidelma sah zu den Kriegern hinüber, um sich ihrer Bereitschaft zu vergewissern.
»Einverstanden.«
»Dann würde ich vorschlagen, ihr laßt eure Pferde hier bei uns. Unser Boot liegt am Ufer des Loch Gile; wir müssen es von dort über Land zum Ufer der Bréanainn-Bucht tragen.«
»Tragen? Das ist doch gewiß eine lange Strecke?« gab Eadulf zu bedenken.
|317| »Wir haben es schon oft genug zu zweit getragen«, beruhigte ihn Gáeth. »Es ist sehr leicht. Schwer sind die Ruder, und deshalb haben wir Ersatzruder in einem Versteck, einmal an der Bucht und einmal am See. Zum Rübertragen brauchen wir nicht lange.« Prüfend blickte er zum Himmel. »Für ein kaltes Mahl bleibt uns noch Zeit, und danach machen wir uns zum Aufbruch fertig. Bis wir dann an der Landspitze sind und die Inseln vor uns in Sichtweite haben, dürfte es dunkel werden.«
Zum ersten Mal ging Eadulf auf, in welche Gefahr sie sich begaben.
»Glaubt ihr wirklich, daß ihr das Meer hier gut genug kennt? Als wir vor ein paar Tagen durch die Inseln fuhren, habe ich dermaßen viele Felsen gesehen und Gezeitenströme erlebt, daß ich mir selbst am hellen Tage die Fahrt nicht zutrauen würde, geschweige denn bei Nacht.«
»Guter Freund, du brauchst nur ruhig dazusitzen, das ist alles«, versicherte ihm Gáeth. »Das Steuern überlaß nur uns. Im übrigen ist Gaimredán an dem Ufer hier geboren und in dem nassen Element so zu Hause, daß er jeden einzelnen Felsen beim Namen nennen kann. Die Gezeiten und die Götter werden uns wohlgesonnen sein.«
Gaimredán stellte bereits Schüsseln mit kaltem Fleisch, Käse und Brot hin. Auch ein Krug Cider wurde hervorgeholt.
»Ein Wind kommt auf, aber aus Südosten«, sagte Gáeth. »Damit haben wir ihn von hinten, und das ist günstig. Wenn er aus westlicher Richtung bläst, dann muß man mit rauher See und hohen Wogen rechnen.«
»Wie erreichen wir die Seanach-Insel, ohne gesehen zu werden?«
Gáeth rieb sich das Kinn. »Unterwegs sind wir
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