Tod vor der Morgenmesse
und damit ist er verantwortlich für den Schutz und das Wohlergehen der Bewohner dort.«
»Das mag ja so sein, aber Slébéne denkt nur an sich. Gegen Uaman hat er nie etwas unternommen, der konnte tun und lassen, was er wollte.«
»Behauptest du allen Ernstes, daß Slébéne nie einen Finger gerührt hat, um Uaman gefangenzunehmen oder ihm das Handwerk zu legen?« fragte Eadulf.
Gáeth nickte.
»Uns gegenüber hat sich Slébéne aber anders geäußert.«
Mitleidig sah ihn Gáeth an.
»Was hätte er dir denn auch erzählen sollen? Daß er ein jämmerlicher Krieger ist? Daß er groß im Reden, im Prahlen oder auch Drohen ist, aber ein Feigling, wenn es darum geht, das Schwert gegen Gleichstarke zu erheben? Ich vermute sogar, daß er Uaman hat gewähren lassen, weil der ihm Gold zugesteckt hat.«
Conrí starrte den Schmied an. Er mußte an die Herausforderung denken, mit der Slébéne ihn wegen der »Heldenpor tion « provoziert hatte.
»Wenn er ein jämmerlicher Krieger ist, was geschieht dann, wenn ihn jemand zum Kampf herausfordert? Wie geht er dem aus dem Wege?«
»Das braucht er gar nicht. Er ist der Stammesfürst. Ich hab in all den Jahren nicht erlebt, daß er mit einem Ebenbürtigen gekämpft hat.«
»Aber wie …?«
»Slébéne hält sich einen
trén-fher,
einen starken Mann, einen Kämpen, der jeden geforderten Zweikampf für ihn austrägt. Du müßtest eigentlich das System kennen, Conrí, du bist doch selbst ein
aire-echta,
wenn ich mich nicht irre. Sogar |308| der heilige Patrick, euer sogenannter christlicher Mann des Friedens, hatte einen
trén-fher,
einen Mann eigens für seinen Schutz. Das war Mac Carthen, den er zum ersten Bischof von Clochar, dem Ort mit den Steinhäusern, machte.«
»Ich kenne das System, ja«, antwortete Conrí. »Ich glaube nur nicht, daß ein Mann, wie Slébéne vorgibt einer zu sein, sich derart erniedrigt und andere die Kämpfe für sich austragen läßt. Er büßt doch seinen Ruf als Stammesfürst ein, wenn er sich nicht zum Kampf herausfordern läßt?«
Gáeth gluckste vor Vergnügen.
»Aber genau so benimmt er sich, er spuckt große Töne und geht keinen Schritt ohne seinen Kämpen.«
Conrí sah den großen, breitschultrigen Kerl mit dem dichten Haarschopf vor sich, der die ganze Zeit während des Gastmahls bewaffnet hinter dem Stammesfürsten gestanden hatte.
Auch Eadulf hatte zu tun, das Gehörte zu verarbeiten. »Ist ein derartiges Gebaren im Einklang mit Recht und Gesetz?« fragte er Fidelma.
Sie nickte. »Das Gesetz läßt es zu.« Zu Gáeth gewandt, fuhr sie fort: »Wenn Slébéne, wie du sagst, ein Großmaul ist und seinen Pflichten als Stammesfürst und Schutzherr der Bewohner des Landes nicht nachgekommen ist, warum hat man dann nie vor dem König in Cashel Klage gegen ihn vorgebracht? Schließlich ist es oberste Pflicht des Königs, durchzusetzen, daß die Adelsleute das Gesetz achten und ihm ihrerseits Geltung verschaffen.«
Gáeth lächelte herablassend.
»Cashel ist weit weg. Würde sich Cashel wirklich dafür interessieren, was in einem entlegenen Winkel des Königreiches passiert? Wenn der Stammesfürst sich Cashel dem Wort nach unterwirft und seinen Tribut entrichtet, warum sollte sich der König dann noch weiter um ihn scheren?«
|309| »Jetzt antworte ich für meinen Bruder Colgú und erkläre mit Nachdruck, daß Cashel sehr wohl Anteilnahme zeigen würde und mehr als das. Genau deshalb bin ich hier, nämlich dafür Sorge zu tragen, daß in diesem Teil des Königreiches Gerechtigkeit herrscht.«
Trotz aller Skepsis war Gáeth beeindruckt.
»Ohne Frage würde es allen Menschen der Corco Duibhne dienlich sein, wenn es einen neuen Stammesfürsten gäbe«, ließ sich plötzlich Gaimredán zur Überraschung der Gäste vernehmen. Sie hatten schon geglaubt, er würde überhaupt nicht sprechen.
»Die Wahl eines neuen Stammesfürsten wäre dann Aufgabe der
derbhfine,
der Versammlung mehrerer Generationen aus Slébénes Clan, nicht wahr?« Eadulf war fast ein wenig stolz, daß er sich inzwischen in den Thronfolgegesetzen des Landes zurechtfand. »Die kann doch bestimmt einen schlechten Fürsten absetzen.«
»Die Versammlung wird nicht viel helfen«, klärte sie Gáeth auf. »Slébéne hat sich abgesichert und dafür gesorgt, daß jeder Herausforderer entweder getötet oder aus dem Land gejagt wurde.«
Fidelma konnte ihre Verwunderung nicht für sich behalten.
»Du weißt eine Menge über Slébéne … Für einen Einsiedler ist das
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