Tod vor der Morgenmesse
geschehen.«
»Die See hat gar keine Schrecken für dich?« fragte Eadulf dazwischen, und es klang ein wenig neidisch.
Esumaro lachte unbekümmert. »Ich bin ein Sohn des Meeres«, sagte er selbstbewußt. »Das Meer ist mein Freund, und ich richte mich nach seinen Launen. Kleine Boote habe ich oftmals gerudert, und ich weiß, wie man mit den Kanus umgehen muß, die ihr benutzt. Ich kenne auch diese Inseln, ich bin mehr als einmal hier entlanggesegelt. Soviel stand fest, ich |353| mußte nach Süden zum Festland, dorthin, wohin der alte Mann gerudert war. Schwester Easdan konnte ich unmöglich zurücklassen, denn sie hatte mir das Leben gerettet. Ich schlug ihr also vor, die Flucht gemeinsam zu wagen, und sollte sie uns glücken, alles in Bewegung zu setzen, daß der ortsgewaltige Stammesfürst die anderen rettete.«
»Slébéne hätte euch dabei wenig geholfen«, murmelte Conrí mit zynischer Miene.
»Erzähl weiter, Esumaro«, forderte ihn Fidelma auf und bedachte Conrí mit einem zurechtweisenden Blick.
»In der Abenddämmerung gelang es Schwester Easdan und mir, uns davonzuschleichen. Die Wächter waren nachlässig, waren gerade bei ihrer Mahlzeit. Das Kanu lag da, wo ich es vermutete, auch die Paddel waren vorhanden, und es war nicht allzu schwer, so daß wir zwei es ins Wasser hieven konnten. Wir ruderten also südwestwärts in Richtung Festland, aber die auflaufende Flut behinderte uns, und dann schrie Schwester Easdan auf, wir haben ein Leck. Wasser drang von einer Seite ein.«
»In unserer Eile, vom Ufer fortzukommen, hatten wir nicht bedacht, daß der Horizont im Westen noch hell war und man uns gegen den Hintergrund sehen konnte«, ergänzte Schwester Easdan. »Vom Ufer trug der Wind ihr Geschrei zu uns herüber. Sie hatten uns entdeckt. Doch Gott schaute auf uns herab, denn wenigstens waren wir außerhalb der Reichweite ihrer Pfeile.«
»Zurück zum Ufer konnten wir nicht«, nahm Esumaro wieder das Wort. »Lebendig hätten wir es jedenfalls nicht erreicht, nach dem, was sie dem Alten angetan hatten. Schwester Easdan mühte sich dann im Halblicht, mit der Schürze und den Lederstreifen das Leck abzudichten, wie wir schon erzählt haben. Die Erfahrung sagte mir, daß wir bei der von |354| Südost auflaufenden Flut keine Hoffnung hatten, das Festland zu erreichen.«
Gáeth flocht hier ein: »Das war genau die Flut, mit deren Hilfe wir so schnell auf die Inseln kamen.«
»Seemann, der ich bin, wußte ich natürlich, daß wir mit der Tide laufen mußten«, fuhr Esumaro fort. »Außerdem wußte ich, nordwestlich von der Seanach-Insel ist ein anderes großes Eiland, und ich hoffte, die Tide würde uns mit etwas Glück vor sich herschieben, bevor das Leck so groß war, daß wir sanken.«
Begeistert schlug sich Gáeth auf die Schenkel. »Eure Bewacher haben euch wenig Chancen eingeräumt, nach dem, was wir hörten. Sie hatten gesehen, in welche Richtung ihr paddeltet und waren sicher, ihr würdet untergehen, ehe ihr noch die Insel erreicht.«
»Das wäre auch beinahe passiert«, erwiderte Esumaro. »Dank Schwester Easdan gelangten wir fast ans Ufer. Ich versuchte, einen günstigen Landeplatz zu erspähen. Schon sah ich den Höhleneingang und hielt drauf zu. Wir waren eine Armlänge davon entfernt, da krachte das Kanu gegen die Felsen und brach entzwei. Ich packte Schwester Easdan, und wir sprangen um unser Leben. Ein paar Augenblicke mußten wir gegen die Brandung ankämpfen, dann gelang es uns, auf allen vieren über die Felsbrocken an Land zu klettern.«
»Glücklich der Fuß, der festen Boden betritt«, sprach Eadulf inbrünstig zu sich, dem ein altes Gebet der Landbewohner in den Sinn kam.
»Uns war kalt, und wir waren erschöpft. Wir hatten nichts, um auf dem nackten Fels Feuer zu machen. Ich konnte auch nichts Brennbares finden, wußte nur, daß es dort Vögel gab. Die wollte ich bei Tageslicht fangen und uns daraus etwas zu essen machen.«
|355| »Um uns zu wärmen, kauerten wir uns eng aneinander«, erzählte Schwester Easdan weiter. »Was sollten wir sonst tun.«
»Wir sind dann eingeschlafen, doch ich wurde wach, hörte Stimmen und Ruderschläge«, berichtete Esumaro. »Das konnte nur Olcán mit seinen Banditen sein. Ich wußte, wenn sie die Insel kannten, würden sie zuerst in die Höhle kommen, in der wir Unterschlupf gefunden hatten. Wir mußten höher hinauf und einen Flecken suchen, wo wir uns verstecken konnten. Da war dieser Hügel mit den seit alters aufgerichteten Steinplatten.
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