Tod vor der Morgenmesse
waren wertvoller als alles, was ich jemals sonstwo gesehen habe. Amethyste, Topase, Smaragde und Saphire … Nie zuvor habe ich solche Reichtümer auf einem Haufen gesehen.«
Eadulf runzelte zweifelnd die Stirn. »Von woher sollen solche Edelsteine denn stammen?«
Gáeth, der Schmied, hatte der Unterhaltung aufmerksam gelauscht und mußte nun lächeln. »Es mag dich verwundern, Bruder aus Anglia, aber Steine dieser Art findet man oftmals sogar in Massen in den Bergen hier und an der Küste. Man schlägt sie aus Spalten in dem zutage liegenden Felsgestein heraus; auch als winzige glitzernde Kristalle in den Sandsteinklippen |348| kommen sie vor. Leicht zu finden sind solche Adern nicht, aber hin und wieder trifft man auf eine ergiebige Schicht. Die Kunsthandwerker brauchen diese kostbare Ware zur Ausgestaltung ihrer Erzeugnisse. Das Kloster Ard Fhearta hat seine eigenen Künstler, die mit diesen von den Schwestern in Form gebrachten und geschliffenen Steinen Kruzifixe verzieren und Kelche und Bildwerke für eure christliche Kirche.«
»Aber Smaragde, Saphire …«, warf Eadulf ein, der immer noch seine Zweifel hatte.
»Glaube mir, Bruder«, versicherte ihm Esumaro, »ich habe ganze Kästen voll dieser glitzernden Gemmen gesehen. Die rohen Kristalle wurden den Schwestern gebracht, und nachdem die sie bearbeitet hatten, wurden sie in Kästen in der Kapelle aufbewahrt. Olcán und der Meister häufen da ein Vermögen an.«
»All die Edelsteine stammen also aus der Gegend hier? Weißt du genau, woher sie kommen?« fragte Fidelma in ihrem Wissensdrang.
»Das haben sie uns nie verraten«, meinte Schwester Easdan, »aber die Einsiedler mußten auf der anderen Seite der Insel danach schürfen. Wir nehmen an, daß man da auf eine Schicht gestoßen ist, in der die Kristalle reichlich vorkommen. Wir hatten reine Rubine und Amethyste. Ob die anderen Sorten ebenfalls aus der Lagerstätte stammen, weiß ich nicht. Jedenfalls waren auch Saphire und Smaragde dabei, wie Esumaro eben geschildert hat, und mitunter sogar Topase.«
Eadulf schaute Esumaro an. »Du hast doch nicht das Geschick im Steinschleifen gehabt wie die Schwestern, womit wurdest du beschäftigt?«
»Ich war nur der Mann fürs Grobe, habe wie ein Lastenträger Sachen hin und her geschleppt. Doch gegen Ende hatte ich das Gefühl, sie schöpften Verdacht, ich sei kein echter Mönch.«
|349| »Wie kam das?« erkundigte sich Fidelma.
»Als ich mit der Gruppe gefangengenommen wurde, hatten sie sofort gemerkt, daß ich ein Gallier bin. Doch Schwester Easdan war gleich dazwischengegangen und hatte ihnen erklärt, ich sei ein berühmter Gelehrter. Ihnen gegenüber habe ich mich als Bruder Maros ausgegeben. Bloß diesen Burschen schien das nicht glaubhaft, weil ich keine Tonsur trug. Schwester Easdan aber« – er lächelte rasch zu ihr hinüber – »be hauptete steif und fest, ich sei ein Anhänger des heiligen Budoc von Laurea, und dessen Jünger trügen keine Tonsur. Ich sei schon eine ganze Weile bei ihnen in der Abtei Ard Fhearta gewesen.«
Er hielt inne.
»Gut, erzähl weiter«, ermutigte ihn Eadulf.
»Zunächst schienen sie mit der Erklärung zufrieden. Ich muß gestehen, ich hatte noch nie etwas vom Budoc von Laurea gehört. Aber bei unserem Marsch durch die Berge flüsterte mir Schwester Easdan ein paar Stichworte zu. Budoc war vor hundert Jahren Bischof von Dol. Das liegt in Aremorica, das wir heute Klein-Britannien oder Bretagne nennen, wegen der zahllosen Flüchtlinge aus Britannien. Die siedelten sich dort an, weil sie von euch Angelsachsen außer Landes getrieben wurden.«
Eadulfs Wangen röteten sich. »Ich bin doch nicht dafür verantwortlich, was meine Vorfahren getan haben«, protestierte er.
Esumaro grinste belustigt. »Steht nicht in der Heiligen Schrift: Die Missetat der Väter wird heimgesucht an den Kindern?«
Fidelma legte beschwichtigend eine Hand auf Eadulfs Arm.
»Wir sind in Muman, nicht in Britannien, Esumaro. Bleiben wir bei dem, was uns jetzt vorrangig angeht. Du hast gesagt, |350| diese Räuber gaben sich anfänglich mit der Erklärung zufrieden, daß du ein Mönch bist. Daraus schließe ich, daß sie das später nicht mehr taten. Wie kam das?«
»Ich hatte das Gefühl, daß diese seltsame Person, die man ›Meister‹ nannte, mich eine Weile nach unserer Gefangennahme beobachtete. Richtig klar ist mir das nicht. Ich habe mehrfach in seine Richtung geschaut, aber weil er die Kapuze seiner Kutte so tief ins Gesicht gezogen hatte,
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