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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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war eigentlich nichts zu erkennen. Wohin er blickte, ließ sich nicht feststellen. Doch ich hatte so ein ungutes Gefühl …« Er schüttelte sich und fuhr dann fort: »Ich hab gesehen, wie dieser Olcán mit dem Meister redete, und als wir auf dem Marsch eine Pause machten, kam er zu mir und fing an, mich auszufragen.«
    »Wonach?« wollte Fidelma wissen.
    »Wie lange ich mich schon in Ard Fhearta aufhielte. Wen ich da kennengelernt hätte und dergleichen. Ich vermute, daß eine der Schwestern ihm gesteckt hatte, daß ich überhaupt nicht in Ard Fhearta gewesen bin. Ich redete mich heraus, ich hätte mich wohl mißverständlich ausgedrückt. Ich wäre in der Abtei Colmán gewesen und würde nach der Pilgerfahrt mit den Schwestern nach Ard Fhearta wandern.«
    »Und hat sich Olcán damit zufriedengegeben?«
    Esumaro schüttelte den Kopf.
    »Er hat nicht lockergelassen, stellte Fragen wie, woher ich stamme und was für ein Gelehrter ich sei. Wer Budoc war und so weiter. Ich hab geantwortet, so gut ich konnte. Aber die einzige Wissenschaft, in der ich Bescheid weiß, ist, wie man sich auf den Meeren nach den Sternen richtet, um Kurs zu halten. Deshalb gab ich vor, ich sei ein Himmelskundiger, und habe von den verschiedenen Sternbildern geredet. Olcán hatte davon einige Ahnung, wußte aber nicht so viel wie ich. Heißt es nicht, unter den Blinden ist der Einäugige König?«
    |351| »Haben sie am Ende deine Geschichte geglaubt?«
    »So richtig wohl nicht. Ich vermute, sie sind mißtrauisch geblieben. Sie haben mich jedenfalls in Ruhe gelassen, trotzdem spürte ich, daß ich die ganze Zeit beobachtet wurde.«
    »Nachdem ihr auf der Insel, der Seanach-Insel, ausgesetzt wurdet, mußten die Nonnen Edelsteine schleifen, und du warst Hilfsarbeiter. Die ursprünglichen Mitglieder der Gemeinschaft wurden gezwungen, auf der entlegenen Seite der Insel die Kristallbrocken aus den Felsen zu schlagen«, faßte Fidelma zusammen. »Und was hat dich veranlaßt, die Flucht zu wagen?«
    »Ein alter Mann hat mich darauf gebracht. Ich weiß nicht, wie er heißt. Ich glaube, er war der Vorsteher der Gemeinschaft dort. Trotz seines Alters war er noch sehr rüstig. Ich trug gerade einen Kasten mit den polierten Steinen zur Kapelle, da hörte ich Rufe. Ich drehte mich um und sah, daß er seinen Bewachern entkommen war und eines der Kanus in die Brandung am Ostufer schob.
    Die Wachmänner hatten ihn natürlich gesehen, aber der Alte wußte mit dem Boot umzugehen. Ich bewunderte ihn. Er ruderte mit der Ebbe, war an ihrem Ausguck schon vorbeigeglitten und steuerte auf die See hinaus aufs Festland zu. Olcán war auf dem Kriegsschiff, und ich hörte ihn wütend herumbrüllen. Dann – ich denke, auf seinen Befehl hin – fingen die Krieger an, auf den alten Mann zu schießen, der jetzt aus Leibeskräften ruderte. Pfeile trafen sein Kanu, aber nicht ihn. Einen Augenblick dachte ich, er schafft es. Ich stand wie angewurzelt, hatte den Kasten noch im Arm und hätte am liebsten begeistert gejubelt. Doch ein Pfeil muß ihn dann in den Rücken getroffen haben, er schrie so laut auf, daß ich es noch über dem Rauschen der Wogen hörte. Er sackte zur Seite.
    Einer der Wächter schlug mich zu Boden. Von dem alten |352| Mann habe ich nichts mehr gesehen, und hören konnte ich nur, wie der Wächter mich beschimpfte, ich sei faul und würde herumstehen und Maulaffen feilhalten. Ich mußte die Edelsteine auflesen, die ich beim Fallen verstreut hatte. Aus dem Gelächter und den groben Witzen der Wachmannschaft konnte ich entnehmen, der Alte war tot.«
    »Was aber nicht stimmte«, fiel Conrí ein. »Der Alte, er hieß Bruder Martan, wie wir erfuhren, brachte es irgendwie fertig, in dem
naomhóg
das Festland zu erreichen und zufällig dort auf den Strand zu kommen, wo wir waren. Leider starb er in unseren Armen, kaum daß er uns vor den Gefahren auf der Insel gewarnt hatte.«
    Esumaro war sichtlich beeindruckt.
    »Und wie seid ihr geflohen?« gab ihm Eadulf das nächste Stichwort.
    »Gleich an dem Abend, als sie den Alten erschossen, hatte ich mich entschlossen. Mir war klar, rücksichtslos wie sie waren, konnten wir von ihnen keine Gnade erwarten. Sobald wir genug für sie geschuftet hätten, würden sie uns ermorden. Ich hatte gesehen, da war noch ein zweites Boot am Ufer, so ein
naomhóg,
wie ihr es nennt, gleich neben dem, das Bruder Martan genommen hatte. Wenn ich bei Tageslicht zu fliehen versuchte, würde ich nicht weit kommen. Also mußte es bei Nacht

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