Tod vor der Morgenmesse
Gastfreundschaft erbitten. Sobald es hell wird, brechen |358| wir auf nach Ard Fhearta. Ich bin überzeugt, dort laufen alle Fäden zusammen.«
Conrí konnte seine Überraschung kaum verbergen. »War um gerade in Ard Fhearta?« entfuhr es ihm.
Mit sorgenvoller Miene schüttelte sie den Kopf und sah ihn an.
»Hast du vergessen, daß der Ehrwürdige Cináed ermordet wurde?«
Entsetzt stöhnte Schwester Easdan auf, hatte sie doch bisher nichts davon gehört.
»Ah, ich habe nicht daran gedacht, daß du nicht wissen kannst, daß er tot ist«, entschuldigte sich Fidelma. »Hast du ihn gut gekannt?«
Bekümmert schüttelte die junge Nonne den Kopf. »Gut eigentlich nicht. Er war ein Freund unserer Mentorin, der Äbtissin Faife. Vor einiger Zeit hat er sich bei uns in der Werkstatt umgesehen und mit uns über unsere Arbeit gesprochen. Er war dabei, eine Abhandlung darüber zu schreiben.«
»Über die Bearbeitung von Edelsteinen?«
»Ja, über die
lec-lógmar
«, bestätigte sie. »Er war ein netter alter Mann. Ein weiser alter Mann. Er war nicht so hochnäsig wie der Ehrwürdige Mac Faosma. Er unterhielt sich mit jedem wie mit seinesgleichen, egal welchen Rang oder welche Stellung jemand hatte. Wie hat man ihn ermordet, Schwester?«
Fidelma schilderte ihr in knappen Zügen die Umstände.
»Wer konnte so etwas Gräßliches tun?«
»Noch kann ich dazu nichts sagen. Aber ich glaube, ich bringe bald Licht in das Dunkel.«
Conrí schaute sie fragend an und vergewisserte sich: »Wir reiten also morgen zurück zur Abtei?«
»Ja, aber ohne dich, Conrí. Eadulf und ich machen uns auf zur Abtei gemeinsam mit Schwester Easdan und unserem |359| Freund Esumaro hier. Dir, Conrí, fällt die Aufgabe zu, einen Trupp Krieger zusammenzustellen und ein paar Kriegsschiffe aufzutreiben. Dann begebt ihr euch auf die Seanach-Insel und befreit die Gefangenen dort. Sieh zu, daß dir der Mann, der Olcán genannt wird, nicht entkommt. Laß ihn aber am Leben. Wir brauchen ihn, um den ›Meister‹ zu finden.«
»Und dann? Falls uns das gelingt?«
»Es wird dir gelingen«, sagte sie voller Überzeugung. »Du bringst alle Gefangenen zurück zur Abtei. Bis dahin hoffe ich das Rätsel gelöst zu haben.«
»Und was machen wir mit Uaman?« fragte Conrí trotzig. »Wenn er wirklich Uaman ist, wird er sich in seinem Turm auf der Südseite der Halbinsel verschanzt haben. Oder er hält sich irgendwo in den Bergen versteckt. Wir müssen ihn aufspüren.«
»Damit würdest du nur deine Zeit verschwenden, Conrí. Alle Fäden dieses Geheimnisses werden sich in der Abtei Ard Fhearta entwirren.« Fidelmas Stimme strahlte Ruhe und Zuversicht aus.
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KAPITEL 16
Der größte Teil des Tages ging mit der Rückreise nach Ard Fhearta drauf. Trotzdem hatten sie den Eindruck, daß sie gut vorankamen. Auch tagsüber war es noch immer kalt, und die blasse Sonne stand an einem hellblauen Himmel. Der Wind hatte sich gelegt. Fidelma, Eadulf und ihre Gefährten ritten auf der Küstenstraße. Esumaro saß hinter Socht und Schwester Easdan hinter Fidelma, denn Gáeth hatte sie nicht mit zusätzlichen Pferden versorgen können. Ehe sie sich versahen, hatten sie das Ende der Corco Duibhne Halbinsel erreicht, wo sie Richtung Norden weiter mußten, um der Furt über den |360| Fluß Lithe zu folgen. Von dort war es bis Ard Fhearta nur noch ein kurzer Ritt. Als sie die Klostergebäude bereits sehen konnten – im Hintergrund das Meer mit der bald untergehenden Sonne am Horizont –, trennte sich Conrí mit einem seiner Krieger von den anderen. Man war übereingekommen, daß Fidelma Schwester Easdan mit nach Ard Fhearta zurücknahm wie auch Esumaro, und Conrí hatte darauf bestanden, daß sein Krieger Socht bei ihnen blieb.
»Ich begebe mich zu Tadcáns Burg am nördlichen Ende der Bucht«, sagte Conrí. »Tadcán ist mir treu ergeben, ist einer unserer zuverlässigsten Stammesfürsten und hat drei gute Kriegsschiffe. Wir könnten noch heute nacht auslaufen und schon in der Morgendämmerung die Seanach-Insel stürmen. Vom Ausgang unseres Unterfangens wirst du frühestens morgen abend erfahren. Zurücksegeln könnten wir auf direktem Weg nach An Bhearbha.«
»Möge Gott mit dir sein, Conrí«, erwiderte Fidelma mit warmer Stimme. »Denk dran, wir brauchen Olcán lebendig.«
»An mir soll es nicht liegen«, versicherte der Kriegsherr der Uí Fidgente mit grimmig entschlossener Miene.
Er hob die Hand zum Gruß und galoppierte mit seinem Dienstmann davon; schon bald
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