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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

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Autoren: Aufbau
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Grund genannt worden dafür?«
    |345| »Unsere Wächter haben kein Wort mit uns gesprochen, außer ›mach dies‹ oder ›mach das‹. Geschlagen haben sie uns, wenn wir uns zu langsam bewegten. Sie haben uns weder gesagt, wer sie sind, noch was sie von uns wollen«, erzählte Schwester Easdan. »Das haben wir erst auf der Insel erfahren.«
    »Aha, und wie ging es weiter?«
    »Bei den Einsiedlern gab es nicht genügend feste Unterkünfte für uns, deshalb wurden hinter der kleinen Kapelle Zelte aufgeschlagen. Doch die schützten kaum vor Wind und Wetter, und vor Kälte schon gar nicht. Nachts haben wir fürchterlich gefroren, da waren wir fast froh, tagsüber arbeiten zu müssen. Immerhin hätte es noch schlimmer sein können. Die Einsiedler hatten eine Mauer um ihre Ansiedlung gebaut, und die war ungewöhnlich stark. Zwei Meter dick war sie an manchen Stellen. Da konnten uns die Stürme wenigstens nicht fortblasen.«
    »In der Kapelle schliefen die Wächter. Ein paar von ihnen blieben stets auf dem Schiff«, vervollständigte Esumaro den Bericht. »Aber immer war jemand da, der uns scharf bewachte und Alarm schlug, wenn wir aufsässig wurden. Olcán übernachtete in einem
clochán,
einer der kleinen runden Steinhütten, in denen die alten Einsiedler ihre Vorräte einlagerten. Pausenlos mußten wir arbeiten, wer bummelte, wurde geprügelt.«
    Das verwunderte Eadulf. »Was gab es denn auf dieser kleinen Insel zu tun?«
    »Nur aus einem einzigen Grund waren diese Kerle, diese Schweine, dort«, ereiferte sich Esumaro. »Man hat uns dort als Arbeitssklaven hingeschafft, wir mußten Steine spalten und schleifen.«
    »Steine spalten und schleifen?« Fidelma zog die Augenbrauen hoch.
    |346| »Ja. Wir konnten uns bloß nicht erklären, woher diese Schurken von unseren Fertigkeiten wußten«, berichtete Schwester Easdan und merkte gar nicht, welche Verwunderung ihre Bemerkung hervorrief.
    »Ich verstehe überhaupt nichts mehr«, gab Fidelma ratlos zu.
    Erst jetzt ging Schwester Easdan auf, daß sie etwas vorausgesetzt hatte, was andere nicht wissen konnten. »In Ard Fhearta war es unsere Aufgabe, Steine zu spalten und zu polieren, die aus anderen Gegenden zur Abtei gebracht wurden. Dieses Jahr hatte Äbtissin Faife uns ausgewählt, mit ihr auf Pilgerfahrt zu gehen, weil wir alle in der Schmuckwerkstatt arbeiteten und Halsketten und Broschen anfertigten. Die Abtei handelt damit.«
    Fidelma begriff nun, was mit dem Wort »Stein« gemeint war. »Das heißt, die Steine, von denen du sprichst, waren
leclógmar,
Edelsteine, die ihr gespalten und geschliffen und graviert habt, um daraus Geschmeide und sonstige Schmuckstücke zu machen.«
    »… oder für die Kunsthandwerker, die daraus Ornamente herstellen. Roter Jaspis, Rosenquarz, Jet, Bernstein, Diorit …«
    »Haben denn alle Ordensschwestern, die mit Äbtissin Faife unterwegs waren, in der Abtei diese Steine gespalten und poliert?«
    »Ja, natürlich«, bestätigte Schwester Easdan. »Jedes Jahr hat die Äbtissin eine bestimmte Gruppe ausgewählt, mit ihr auf die Wallfahrt zu gehen. In diesem Jahr hatte sie sich für die Steinschleifer entschieden.«
    Fidelma sah Conrí an. Sie war sichtlich empört. »Ich höre zum ersten Mal, daß die Entführten eine Sonderstellung in der Abtei hatten«, äußerte sie sich verärgert.
    »Ich habe davon auch nichts gewußt«, verteidigte sich |347| Conrí. »Ich hatte keine Ahnung, daß es überhaupt Steinschleifer in der Abtei gibt. Der Abt hat darüber nie ein Wort verloren.«
    »Und just zu dieser Arbeit hat man euch auf der Insel gezwungen?« forschte Eadulf.
    »Nicht nur das. Als Tische gaben sie uns drei der rechteckigen Grabplatten, die mit Quarz durchsetzten
leachts,
unter denen die verstorbenen Vorsteher der Gemeinde ruhen.« Schwester Easdan überlief es kalt, und sie bekreuzigte sich. »Auf diesen Grabmalen mußten wir arbeiten, darauf herumwerkeln wie auf großen Holzplatten.«
    »Ihr hättet doch leugnen können, daß ihr Edelsteinarbeiter seid«, meinte Eadulf.
    »Sie wußten offenbar, wer wir sind und was wir für Tätigkeiten ausgeübt hatten«, erwiderte Schwester Easdan. »Des halb haben sie uns doch gegriffen und auf die Insel verschleppt – wir sollten da für sie schuften.«
    Esumaro drehte sich zu Fidelma. »Ich bin viele Jahre Kapitän eines Handelsschiffs gewesen. Ich weiß, wie der Handel von hier nach Gallien läuft. Ich versichere dir, die Steine, die ich auf der Insel sah – wie nennst du sie,
lec-lógmar
? –,

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