Tod vor der Morgenmesse
uns bequem machen, und du erläuterst mir die Geschichte. Meine Kammer ist, wie du dich vielleicht erinnerst, gleich hier.« Sie zeigte auf eine Tür und war mit Worten und Gesten so übertrieben eifrig, daß es Fidelma schon fast peinlich war. Sie wollte gerade den Grund für ihr Zögern nennen, da kam auch schon Eadulf mit raschen Schritten durch die Dunkelheit auf sie zu.
»Ah, da bist du ja …« Er sprach nicht weiter, als er merkte, daß Fidelma nicht allein war. »Entschuldige, ich konnte nicht sehen, daß Schwester Buan auch hier ist.«
Fidelma wies auf die Tür, die Schwester Buan soeben geöffnet hatte.
»Ich will Schwester Buan nur rasch eine Gesetzeslage erklären. Es dauert nicht lange. Du kannst mit reinkommen und auf mich warten.«
»So dringend ist es nun auch wieder nicht«, wehrte Schwester Buan sofort ab. »Komm lieber, wenn du weniger unter Druck stehst. Ich will dir und deinem Gefährten nicht die gemeinsame Zeit stehlen.«
Fidelma schüttelte lächelnd den Kopf.
»Ein anderes Mal paßt es auch nicht besser. Wir brauchen nur ein paar Minuten. Wer weiß, wann sich die nächste Gelegenheit bietet.«
Schwester Buan ließ es offenbar nur ungern geschehen, daß Fidelma und Eadulf ihr Zimmer betraten und sich setzten. Fidelma fiel ein, daß es Buan vielleicht peinlich sein könnte, Einzelheiten ihres Heiratsvertrages vor Eadulf zu erörtern. Da war es aber schon zu spät.
»Als wir das letzte Mal zusammensaßen, Buan, hast du mir |375| erzählt, daß Abt Erc gegen deine Heirat mit dem Ehrwürdigen Cináed war, daß euch aber ein geweihter Priester von der Abtei in Colmán ganz legal getraut hat. Kannst du das belegen?«
»Kann ich«, bestätigte sie nickend.
»Dann bist du dem Gesetz nach völlig rechtmäßig eine
cétmuintir
.«
»So hatte ich die Sache auch gesehen.«
»Du hast mich neulich nach meiner Rechtsauffassung gefragt und wolltest wissen, ob dir unter den gegebenen Umständen das Eigentum des Ehrwürdigen Cináed, deines verstorbenen Ehemannes, zustünde und ob du auf Grund der Art und Weise, auf die er den Tod gefunden hat, eine Entschädigung beanspruchen kannst.«
»Ja, darum ging es mir.«
»Ich habe mir die Gesetzestexte in der Klosterbibliothek angesehen. So, wie ich das
Díre
verstehe, sind dort Einschränkungen festgeschrieben, wonach du keinen Vertrag schließen kannst ohne die Genehmigung deines Vaters, eines Pflegevaters oder, da du Mitglied einer frommen Schwesternschaft bist, die Genehmigung der Äbtissin oder des Abtes deines Ordens. Aber trotz dieser Einschränkungen und auch in einer Ehe, die du ja offensichtlich geführt hast, kann die Frau Verträge anfechten, die sich auf persönliche Güter beziehen, sofern sie selbst keine Güter und kein Eigentum in die Ehe mit eingebracht hat.«
»Und was bedeutet das, Schwester?« fragte Buan völlig verwirrt.
»Entschuldige, ich hätte lieber sagen sollen, daß der
Bretha Crólige,
einer unserer entscheidenden Gesetzestexte, besagt, daß du bei einem Brehon vorstellig werden kannst und daß dieser dich in bezug auf dein
míad
einschätzt. Das ist der Rechtsbegriff |376| für Würde oder Wert, so etwas wie eine Wertung oder Gewichtung deines Anspruchs. Mit anderen Worten, du kannst eine Entschädigung einfordern. Als fromme Schwester bist du besser dran als eine weltliche Person. Als weltliche Person wäre dein Rang nach dem, was du sagst, tiefer als der des Ehrwürdigen Cináed. Aber hier im Kloster wirst du als Glaubensschwester in einer Ehe als ebenbürtiger Partner anerkannt. Daraus folgt, daß hinsichtlich der Teilung des vererbbaren Vermögens, des
díbad,
du zwei Drittel von Cináeds Vermögen erbst, während ein Drittel ans Kloster geht.«
Schwester Buan strahlte über das ganze Gesicht.
»Es ist wirklich freundlich von dir, Schwester, daß du dir all die Mühe um mich gemacht hast. Ich war schon völlig durcheinander. So eine Gesetzgebung kann richtig furchteinflößend sein.«
»Dura lex sed lex«
, zitierte Eadulf feierlich.
»Genau«, pflichtete ihm Schwester Buan bei. »Gut zu wissen, daß mir per Gesetz ein Teil des Vermögens zusteht«, sagte sie erleichtert.
Fidelma und Eadulf standen auf.
»Ich freue mich, daß ich habe helfen können.«
»Bist du ein Stück weitergekommen mit deinen Nachforschungen, wer Cináed getötet haben könnte?« fragte Schwester Buan schon auf der Türschwelle. »Die Vorstellung, der Mörder könnte jemand aus dem Kloster sein, macht einem Angst.«
»Du brauchst dich
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