Tod vor der Morgenmesse
nicht zu fürchten«, versicherte ihr Fidelma. »Ich komme mit der Untersuchung gut voran; wir werden euch schon bald Angst und Schrecken nehmen können.«
Sie verabschiedeten sich. Auf ihrem Weg zum
hospitium
hörten sie die Klosterglocke läuten, die zum letzten Abendgebet rief.
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|377| KAPITEL 17
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück bat Fidelma Schwester Easdan, ihr und Eadulf die Werkstatt zu zeigen, in der sie für gewöhnlich arbeitete. Schwester Sinnchéne, dieoffensichtlich bei etwas besserer Laune war, kam, um das
hospitium
sauberzumachen und fragte, ob sie am Vormittag noch gebraucht würde; sie müßte an die Brüder und Schwestern der Gemeinschaft die Kleidungsstücke verteilen, die sie tags zuvor gewaschen hatte. Fidelma war durchaus gegenwärtig, daß Schwester Sinnchéne zur Zeit auch für das
tech-nigid,
das Waschhaus des Klosters, verantwortlich war.
»Ich glaube nicht«, meinte sie. »Sollte jemand nach uns fragen, wir sind in der Werkstatt, wo Schwester Easdan und ihre Gefährtinnen sonst immer ihrer Arbeit nachgingen.«
Es war ein für sich stehender, zweistöckiger Bau mit einem flachen Dach, der sich am Südende des Klostergeländes befand. Das Gebäude stand im rechten Winkel zum Hauptschlafsaal; beide Häuser waren nur durch einen schmalen Durchgang voneinander getrennt. Wie Schwester Easdan erklärte, hatte man die Werkstatt bewußt auf der Südseite gebaut, damit sie so viel Sonnenlicht wie möglich bekam. Beim Spalten und Polieren von Steinen war Licht ein überaus wertvoller Helfer. Mitten im Raum stand ein langer Tisch oder besser eine Werkbank; natürlich gab es auch Wasser, und auf einer Seite des Raumes befanden sich Schränke und weitere Bänke mit allen möglichen Gerätschaften und Werkzeugen.
Fidelma blieb auf der Türschwelle stehen und ließ ihren Blick über die Innenausstattung gleiten.
»Was genau wünschst du zu sehen?« fragte Schwester Easdan. »Es sieht alles genauso aus, wie wir es verlassen haben.«
|378| »Wußte man von dir und den anderen, daß ihr Fachkräfte im Handwerk des Steinschleifens wart?«
»Nur innerhalb des Klosters.«
»Aber eure Namen und der Ruf, den ihr hattet, gingen doch sicher über die Klostermauern hinaus?«
»Die Abtei hatte in der Tat einen guten Ruf dank unserer Arbeit, aber Abt Erc legte großen Wert darauf, daß unsere Namen jenseits der Klostermauern nicht bekannt wurden.«
»Wieso das?«
»Ich glaube, ihm lag daran, daß der gute Ruf dem Kloster galt und nicht einzelnen Brüdern und Schwestern hier. Er wollte keine persönliche Eitelkeit fördern.«
»Seit wann betreibt ihr diese Art Arbeit?«
»Ich habe mit der Ausbildung begonnen, sowie ich hierherkam, das war gleich, nachdem ich das Alter der Wahl erreicht hatte. Die meisten anderen sind seit etwa zehn Jahren in diesem Handwerk tätig.«
Eadulf zeigte auf einige Gerätschaften auf der Bank.
»Sind das hier Bogen?« fragte er neugierig. »Welchen Zweck erfüllen die in einer Steinschleiferei?«
Schwester Easdan schmunzelte überlegen.
»Wir nennen sie Bogenbohrer. Wir durchlöchern damit die Steine und fädeln sie dann zur Kette auf. Eine einzige Kette zu fertigen dauert sehr lange; die Steine müssen ja auch geschnitten und geschliffen werden. Manchmal müssen wir die Kristalle erst in besondere Flüssigkeiten legen, um sie schleifen und polieren zu können.«
Fidelma schwieg eine Weile und betrachtete eingehend die Vielzahl der Werkzeuge.
»Wenn jenseits der Klostermauern niemand von euren handwerklichen Fertigkeiten wußte, wie konnten dann die davon |379| erfahren, die dich und deine Gefährtinnen entführt haben?« fragte sie.
Die Antwort kam nach einigem Überlegen: »Ich glaube, die einzig mögliche Erklärung ist die, daß es aus dem Kloster herausgesickert ist. Na ja, der Kaufmann Mugrón wird es auch gewußt haben.«
»Trotzdem, was an Information herausgegangen ist, zeugt von genauer Kenntnis der Dinge. Die Entführer müssen gewußt haben, daß ihr alle mit Äbtissin Faife unterwegs zum Bréanainn-Berg wart, auch, wo und wann genau ihr an der Stelle vorbeikommen würdet, an der man euch dann überfallen hat.«
»Derartige Einzelheiten konnten nur wenige wissen.«
»Gehörte Schwester Sinnchéne zu den Eingeweihten?«
»Ich wüßte keinen Grund, der dafür spricht.«
»Ist dir bekannt, daß sie Äbtissin Faife gefragt hat, ob sie mitkommen könnte?«
Noch während Schwester Easdan das verneinte, bemerkte Fidelma etwas, das im
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