Tod vor der Morgenmesse
schwerlich gutheißen, deshalb will ich nicht weiter darauf eingehen. Was das praktische Vorgehen in diesem Fall betrifft, so muß ich zunächst sagen, es war meine bisher schwierigste Aufgabe. Wie ich gestern erwähnte, mußten wir mehrere Teilaspekte verfolgen. Doch als wir dann den entscheidenden Beweggrund entdeckt hatten, ergab sich bald alles übrige. Der Beweggrund, wie ich schon dargelegt habe, bestand darin, die Nachkommen des Uí Choirpre Áedba wieder an die Macht zu bringen. Wie bekannt |450| ist, sind Eoganán und sein Sohn Torcán bei dem Aufstand gegen Cashel ums Leben gekommen. Auch sein anderer Sohn Uaman war tot. Eadulf hat ihn sterben gesehen. Dann mußten wir feststellen, daß er anscheinend aus dem Jenseits zurückgekehrt war.«
»Ich fing selber an, mein Gedächtnis zu bezweifeln«, erklärte Eadulf freimütig. »Besonders, nachdem Ganicca so sicher war, er habe Uaman mit Olcán und seinen Leuten zu Pferde gesehen.«
»Eadulf hat nicht die Gabe, sich Dinge einzubilden«, griff Fidelma verteidigend ein. »Wenn er sagt, daß er etwas gesehen hat, dann hat er es auch gesehen. Wer also war dieses Gespenst, das in Uamans Umhang umherritt? Fragte ich genauer nach, dann hatte niemand die Gesichtszüge dieser Erscheinung aus dem Totenreich tatsächlich gesehen, und so drängte sich mir der Verdacht auf, daß es jemand sein mußte, der sich als Uaman ausgab.«
Sie hielt inne und schaute sich um. Alle lauschten ihr gespannt, und sie fuhr fort: »Auskünfte und Berichte flossen uns von vielen Seiten zu, wir nahmen gewissermaßen Fäden auf, und ich erkannte bald, daß alle Fäden zurück in diese Abtei liefen. Darauf deutete nicht nur Cináeds Tod hin, sondern auch der Umstand, daß jemand Olcán wegen der sechs Edelsteinschleiferinnen instruiert hatte, die sich von der Abtei auf die Wallfahrt begeben hatten.«
Der Abt unterbrach sie ungeduldig mit einem Wink seiner Hand. »Diesen Teil deiner Beweisführung habe ich gestern schon gehört.«
»Der Abt möchte endlich wissen, wie du darauf gekommen bist, Schwester Buan zu verdächtigen«, drängte Bruder Cú Mara. »Sie war seit vielen Jahren in dieser Abtei, und niemand hat jemals angenommen, sie sei Eoganáns Tochter.«
|451| »Dazu komme ich gleich noch. Ich suchte ja nach dem Tatmotiv. Wenn ich davon ausging, daß Uaman tot war, gab es zwei Möglichkeiten. Entweder die Person, die vorgab Uaman zu sein, tat das, um sich die Furcht zunutze zu machen, die man mit seinem Ruf verband, oder Vorbereitungen waren im Gange, die alte Dynastie wieder einzusetzen. Aus einer Bemerkung, die Olcán in seiner Haftzelle machte, ging hervor, Uaman war zwar tot, doch Eoganán hätte mehr Nachkommen als nur zwei Söhne gehabt. Es gab noch jemanden, der es für sich beanspruchen konnte, sein Erbe zu sein. Conrí brachte uns auf die Idee, in der Genealogie der Uí Fidgente nachzuschauen. Gleich nachdem wir Olcán verlassen hatten, erkundigte er sich beim Bibliothekar nach dem Band …«
»Und Buan stand neben mir, als ich danach fragte«, ergänzte Conrí erregt. »Das hat sie hellhörig gemacht, und sie ist hingegangen und hat den Namen Uallach getilgt.«
Er wunderte sich, warum Fidelma den Kopf schüttelte.
»Den Namen hatte sie schon eine Weile vorher gelöscht. Nämlich als Cináed Verdacht schöpfte und sich die Genealogie auslieh. Da hat sie ihren Namen Uallach fein säuberlich aus dem Blatt herausgeschnitten. Als Conrí nach dem Buch fragte, hat sie vermutet, Olcán hätte mit seinem Wissen über die Geschlechterfolge geprotzt. Das schien ihr gefährlich, sie ist nachts in seine Zelle geschlichen und hat ihn erstochen.«
Zunächst schwiegen alle, dann fragte Bruder Cú Mara: »Wenn der Name im Genealogiebuch getilgt war, wie konntest du dann wissen, wer der Erbe war?«
»Buan hatte mir ihre Lebensgeschichte erzählt, einiges wahrheitsgemäß. Ihre Mutter war mit einem jungen Mann auf und davon gegangen, und ihr Vater hatte sie in Pflegschaft zu einem Stammesfürsten der Corco Duibhne gegeben. Wer sonst hätte das sein können als Slébéne? Gáeth, der Schmied, |452| der ein Pflegesohn Slébénes war, hatte uns eröffnet, daß Slébéne auch eine Pflegetochter hatte, die Tochter eines Edlen aus dem Osten. Sie hieß Uallach.«
Conrí lächelte Schwester Uallann an und hob entschuldigend die Schultern. »Ich habe dich für Uallach gehalten. Na ja, die Namen sind so ähnlich.«
Die Ärztin blickte ihn nur böse an und enthielt sich jeder Äußerung.
»Ich
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