Tod vor der Morgenmesse
hatte ja schon darauf verwiesen, daß jemand, der sich einen anderen Namen geben will, nicht einfach nur eine Silbe ändern würde«, äußerte Fidelma. »Wenn Uallach wegen ihrer Herkunft auch anmaßend war, so wurde ihr Ehrgeiz doch im Keime erstickt, als Eoganán sie verstieß. Sie kam nach Ard Fhearta und trat in die Abtei ein. Nachdem ihr Vater umgekommen war und auch ihre Brüder, ging ihr auf, daß sie nun darauf pochen könnte, eine
banchomarbae
zu sein – der weibliche Erbberechtigte –, und sich folglich anschicken konnte, die Fürstenwürde der Uí Fidgente zu erringen. Sie suchte sich Verbündete und fand sie auch in Olcán, dem Vertrauten ihres Bruders, und in Slébéne, ihrem Pflegevater.«
»Ich verstehe aber nicht, wenn sie eine Adlige der Uí Fidgente war, warum wurde ihr dann nicht sofort dieser Rang zugestanden?« unterbrach sie der Abt. »Warum mußte sie hier ins Kloster unter falschem Namen eintreten?«
»Uallach selbst hat uns die Antwort darauf gegeben. Ihr Vater verstieß sie, als ihre Mutter ihn verließ. Sie wurde Slébéne als Pflegekind übergeben. Weder ihr Vater noch ihre Brüder haben sich weiter um sie gekümmert. Buan war sehr verbittert, als sie mir davon erzählte. Und diese Verbitterung wird es gewesen sein, die ihren Ehrgeiz vor allem angestachelt hat.«
»Aber weshalb hat sie dann den Ehrwürdigen Cináed geheiratet?« wollte Bruder Cú Mara wissen. »Als Mann konnte |453| sie ihn nicht ausstehen, und wegen seiner Ansichten über die Uí Fidgente muß er ihr erst recht zuwider gewesen sein.«
Grübelnd neigte Fidelma den Kopf leicht zur Seite. »In dieser Hinsicht, denke ich, hat sie mir die Wahrheit gesagt. Sie brauchte Cináeds Ansehen und seinen Schutz in der Abtei. Und natürlich war ihr Cináed beim Beschaffen einer Stellung behilflich. Auch muß man bedenken, daß sie nicht von vornherein all diese Herrschaftsgelüste hegte. Dann aber war es Cináed, dem das Gebaren seiner Frau verdächtig vorkam. Sie brachte ihm keine Liebe entgegen. Liebe und Wärme fand er bei Schwester Sinnchéne.«
»Er ahnte aber doch nichts davon …« Eadulf fing den warnenden Blick auf, den Fidelma ihm zuschoß. Er hätte sagen wollen, daß Olcán ihr Vater war, biß sich nun aber auf die Lippen.
»Eadulf wollte darauf anspielen, daß Cináed ihr ein Halsband geschenkt hatte.«
Eadulf zog die Kette aus der Tasche, die er sich von Schwester Sinnchéne geliehen hatte, und legte sie auf den Tisch.
»Cináed hatte ihr den Halsschmuck gegeben und sie gebeten, ihn gut zu verwahren und niemandem zu zeigen. Er sei ein Beweisstück, hatte er gesagt. Es war wohl mehr ein symbolischer Beweis, denn Buan ist im Auftrage der Abtei im Lande unterwegs gewesen, um die im Kloster geschliffenen Edelsteine zu verkaufen. Sie hatte erkannt, daß hier die große Quelle eines Vermögens lag, von dem sich – mit Olcáns und Slébénes Hilfe – bewaffnete Söldner kaufen ließen, die sie an die Macht bringen sollten. Sie hatte die Freiheit, umherzureisen und Handel zu treiben und auf diese Weise mit Olcán Kontakt zu halten.
Cináed hatte bereits Verdacht geschöpft, daß Uallach, oder Buan, unter welchem Namen wir sie kennen, das Geschäft mit |454| den Edelsteinen auch für ihre eigenen Zwecke betrieb. Ich bin mir nicht sicher, wofür das Halsband als Beweisstück dienen sollte, aber gewiß hat er es in Buans Schmuckschatulle gefunden. Da hätte ich schon an die Abhandlung denken müssen, die er über die schmutzigen Geschäfte mit Edelsteinen geschrieben hat. Bruder Faolchair hatte sie zur Abschrift.«
»Ach ja, Cináeds Bücher«, murmelte der Abt. »Alle seine Bücher wurden vernichtet. Welche Erklärung hast du dafür?«
»Cináed hatte bereits ein Buch verfaßt, in welchem er Eoganáns Gründe, gegen Cashel einen Feldzug zu unternehmen, kritisch analysierte. Das verbrannte auch, und zwar in den Räumlichkeiten des Ehrwürdigen Mac Faosma. Die Verursacherin war Buan, weil sie befürchtete, ihr Mann hätte sich in der Genealogie kundig gemacht und in seinem Buch Eoganáns drittes Kind erwähnt. Die Genealogie lag noch in seiner Studierstube, und so schnitt sie den Namen heraus.
Mit der Zeit wurde Buan unsicher, ob Cináed nicht auch in anderen Büchern auf Eoganáns Nachkommen Bezug genommen hatte. Ihre Sorge wuchs, als ich mich für seine Schriften zu interessieren begann. Während meiner Unterhaltung mit Buan dämmerte es mir, daß ich mein Augenmerk auf das falsche Buch konzentriert hatte. Ich war
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