Tod vor der Morgenmesse
zitieren hören, auf das sich unser Glaube gründet und das die Griechen ›die Schöpfung‹ – Genesis nannten. In diesem heiligen Buch wird Noah von Gott verkündet: ›Alles, was sich reget und lebet, das sei eure Speise‹.«
Conrí, der nicht nachvollziehen konnte, weshalb Eadulf so mißgestimmt war, vielmehr annahm, er wisse nicht, daß es im |96| Lande weit verbreitet war, verschiedenste Arten Fleisch zu essen, führte den Gedanken weiter: »In der Abtei müssen viele Menschen ernährt werden, Bruder Eadulf. Deshalb hält sie eigene Schafherden, sogar Kühe, die Milch geben und gelegentlich auch Fleisch. Der Klosterkoch ist im ganzen Land der Uí Fidgente berühmt wegen seiner
indrechtan
und
maróg
.«
Eadulf seinerseits war lediglich vergrätzt und selber dem Verzehr von Fleisch nicht abgeneigt. So interessierte ihn sofort, was sich hinter den irischen Bezeichnungen verbarg.
»Das sind Fleischgerichte«, erklärte ihm Fidelma. »Die Därme und Mägen von Schwein, Rind oder Schaf werden mit durchgedrehtem Fleisch gefüllt, das mit Getreideschrot oder Apfelschnitzel vermengt worden ist. Dann kocht man sie und lagert sie bis zum nächsten Fest ein. Für uns sind das besondere Leckerbissen. Aber zurück zu unserem eigentlichen Anliegen. Wem gehört die andere blutbefleckte Kutte?«
»Schwester Uallann«, wußte Eadulf zu berichten.
Bruder Cú Mara wandte sich ab und mimte einen Hustenanfall, um seinen Lachreiz zu unterdrücken. Fidelma mußte warten, bis er sich wieder in der Gewalt hatte. »Führe uns zu Schwester Uallann und ihrer Wirkungsstätte«, wies sie ihn unwirsch an.
»Daß Schwester Uallanns Kittel blutbefleckt ist, dürfte sich ähnlich wie bei Bruder Feólaigid aus ihrem Beruf erklären.« Gleichmütig kam die Bemerkung aus Conrís Mund.
»Was willst du damit sagen?« fragte Fidelma abweisend. »Kennst du Schwester Uallann?«
Mit einem Kopfnicken bejahte es der Kriegsherr der Uí Fidgente. »Sie ist die Heilkundige der Abtei, Lady. Sie hat den Leichnam meiner Tante, Äbtissin Faife, untersucht und zur Bestattung hergerichtet, unmittelbar nachdem wir die Tote hierher brachten.«
|97| Fidelma atmete laut aus und machte ihrer Verärgerung Luft.
»Gilt das gleiche für den Leichnam des Ehrwürdigen Cináed?«
»Gewiß, Lady«, bestätigte Cú Mara. »Ich befürchte, die blutbesudelten Kutten, die Bruder Eadulf gefunden hat, werden uns nicht viel weiterbringen.«
Eadulf war es peinlich, auf diese Weise im Mittelpunkt zu stehen. Er versuchte abzulenken. »Wird die Heilkunst in dieser Abtei tatsächlich von einer Frau ausgeübt?«
»Gibt es in deinem Volk keine heilkundigen Frauen?« fragte Conrí belustigt den angelsächsischen Mönch, dem er die Schlappe gönnte. »In früheren Zeiten wurden bei uns die Anhängerinnen der Lehren Airmeds, der Tochter des alten Gottes der Heilkunst, von allen verehrt. Man glaubte, sie sei die erste, die alle Heilpflanzen benannte und um ihre Wirkungen wußte. Bei uns hat es immer Ärztinnen gegeben.«
Eigentlich war das Eadulf durchaus bekannt, denn er hatte sich in Tuam Brecain eine Zeitlang mit der Kunst der Apotheker vertraut gemacht. Ihm glühten die Wangen vor Scham. Die Frage hatte er nur gestellt, um zu vermeiden, daß Fidelma ihn noch einmal rügte. Nicht nur nach den Namen der Kuttenträger hätte er sich erkundigen müssen, sondern auch danach, welche Tätigkeit sie in der Abtei verrichteten.
»Da bleibt dir nichts weiter übrig, als die Sachen zu Schwester Sinnchéne zurückzuschaffen«, hörte er sie ruhig sagen. »Und mit der Heilkundigen will ich ohnehin reden, also suchen wir sie gleich auf.«
Verärgert biß sich Eadulf auf die Lippen und trollte sich zum
tech-nigid
.
Bruder Cú Mara führte sie auf einem verschlungenen Pfad zu den Hauptgebäuden der Abtei zurück.
»Da drüben sind die Zellen der Junggesellen«, erläuterte der |98|
rechtaire
und wies mit einer Kopfbewegung auf eine der Bauten. »Die Wohnungen der Verheirateten liegen dahinter. Und hinter dem Gebäude ist noch das Haus für die unverheirateten Nonnen.«
»Wie viele Leute leben in dieser Abtei?« erkundigte sich Fidelma.
»So an die fünfhundert Seelen«, erwiderte Bruder Cú Mara.
»Tatsächlich so viele?« fragte Fidelma überrascht.
»Dem Hörensagen nach brüstet sich das große Kloster in Ard Macha damit, siebentausend Studierende zu beherbergen und dazu noch die Ordensleute, die sie unterweisen.«
Fidelma hatte sich früher einmal eine Weile in Ard Macha
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