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Tod vor der Morgenmesse

Tod vor der Morgenmesse

Titel: Tod vor der Morgenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Ansichten fand ich durchaus |104| einleuchtend. Schließlich war er ein sehr gewissenhafter Gelehrter. Aber mit seiner Grundeinstellung konnte ich mich nicht einverstanden erklären.«
    »Den Glauben betreffend?«
    Zu Fidelmas Überraschung meinte Schwester Uallann etwas anderes.
    »Seine Denkschrift
Scripta quae ad rem publicam gerendam pertinent
gefiel mir ganz und gar nicht – darin legt er dar, wie die Uí Fidgente ihre weltlichen Angelegenheiten ordnen sollten. Cináed hat sich mit sehr vielem befaßt und hatte seine eigenen Ansichten. Das ärgerte nicht wenige Leute. Als Eoganán Stammesfürst der Uí Fidgente war, schickte er seine Krieger aus, die sollten Cináed verhaften, doch Äbtissin Faife weigerte sich, ihn auszuliefern. Sie war während Abt Ercs zeitweiliger Abwesenheit das Oberhaupt der Abtei.«
    »Die Geschichte kenne ich«, mischte sich Bruder Cú Mara ein. »Das war kurz vor der Schlacht bei Cnoc Áine, in der Eoganán getötet wurde. Wäre er Sieger geblieben, hätte er bestimmt seine Krieger erneut zur Abtei geschickt, um Cináed zu ergreifen, und dann hätte die Äbtissin sich dagegen verwahren können, soviel sie wollte.«
    »Hat Abt Erc die Äbtissin dabei unterstützt, die Auslieferung des Ehrwürdigen Cináed zu verweigern?« fragte Fidelma.
    Die Ärztin schniefte verächtlich. »Als er zurückkam, mußte er sich nicht mehr so oder so entscheiden. Eoganán war bei Cnoc Áine gefallen. Genau dort wurde auch mein Mann erschlagen.« Mit Nachdruck fügte sie hinzu: »Hier leben noch viele Frauen, deren Männer von den Eoghanacht hingeschlachtet wurden.«
    Fidelma wandte sich Bruder Cú Mara zu und sagte mit einem Anflug von Spott: »So langsam erfahren wir, daß der |105| Ehrwürdige Cináed keineswegs ein von allen geliebter Gelehrter war; im Gegenteil, er hatte viele Feinde, nicht zuletzt unter den Anhängern des in der Schlacht tödlich getroffenen Eoganán!«
    »Ah ja, der arme Eoganán«, flüsterte Schwester Uallann.
    Rasch drehte sich Fidelma nach ihr um. »Du hast aus deiner Meinung keinen Hehl gemacht, Schwester. Glaubst du wirklich, deine Leute hätten nicht mit Cashel Frieden schließen sollen?«
    Abermals überraschte sie, daß die Ärztin ihre Frage mit einem Kopfschütteln beantwortete. »Ich komme vom Stamm der Corco Duíbhne, aber mein Mann gehörte zu den Uí Fidgente.«
    »Willst du damit sagen, der Ehrwürdige Cináed machte sich unter den Uí Fidgente Feinde wegen seiner politischen Schriften?«
    »Wir leben hier im Gebiet der Uí Fidgente, Cináed jedoch war überzeugt, und das schon vor der Niederlage bei Cnoc Áine, daß wir den Eoghanacht von Cashel die Treue halten müßten und nicht unseren eigenen Herrschern. Mehr sag ich nicht.«
    Einige Augenblicke schaute Fidelma der Ärztin ins grimmig versteinerte Antlitz. Dann stand sie auf und beendete in ruhigem Ton ihre Unterhaltung. »Ich bin dir dankbar für alles, was ich von dir erfahren durfte, Schwester Uallann.«
    Draußen stießen sie auf Eadulf, der vom Waschhaus zurück war und sie nun suchte. Er wollte schon fragen, wie es Fidelma ergangen war, hielt aber bei ihrem warnenden Blick den Mund. Arglos meinte sie zu Bruder Cú Mara: »Jetzt muß ich dich nur noch bitten, uns zu eurer
tech-screptra
zu geleiten, danach brauchen wir deine Hilfe erst wieder nach den
etarsuth
. Sie benutzte den Ausdruck »Mittagsfrüchte«, der in den |106| Mönchsklöstern die geläufige Bezeichnung für
etar-shod
war, das »Mittagsmahl« des Tages.
    »Zur Bibliothek?« wunderte sich der
rechtaire
.
    »Ja, du hast richtig verstanden. Ich hätte gern noch mit Bruder Eolas, eurem Bibliothekar, gesprochen.« Und Eadulf verblüffte sie mit der Bemerkung: »Ich könnte mir vorstellen, daß sich uns dort einiges Interessantes eröffnet.«

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    KAPITEL 5
    Die Ausmaße der
tech-sceptra,
der großen Bibliothek von Ard Fhearta, beeindruckten selbst Eadulf. Er wußte, welchen Ruf die geistlichen Hohen Schulen in Irland für die Ausbildung genossen. Eine jede brauchte Bücher für ihre Studenten, und folglich hatten sie gute Allgemeinbibliotheken. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, daß diese Bibliotheken nicht nur über Werke in der Landessprache verfügten, sondern auch in Latein, Griechisch und Hebräisch. Er folgte Fidelma in den Bibliothekssaal und blieb bewundernd stehen angesichts der langen Regalreihen, an denen von vielen Haken Buchtaschen aus Leder hingen, die
tiaga liubhair
. Taschen dieser Art schwang man sich an einem oder mehreren

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