Tod vor der Morgenmesse
aufgehalten, das im Norden, im Königreich der Uí Néill, lag. Auf ihrem Wege zum großen Konzil in Northumbrien hatte sie dort Station machen und Unterricht bei Bischof Ultan nehmen sollen. Ihr hatte Ard Macha widerstrebt, dort gab es zu viele Menschen, das Kloster wirkte eher wie eine Stadt und tat dementsprechend prahlerisch und protzig. Auch hatte sie sich eingestehen müssen, daß Ultan sie keineswegs beeindruckte. Von seiner Umgebung geformt, war er großsprecherisch und nahm sich ungemein wichtig. Seine Abtei war vom Heiligen Patrick gegründet worden, den man jetzt als den ersten Prediger ansah, der das Wort Christi in den fünf Königreichen verkündet hatte. Daraus leitete Ultan den Anspruch ab, als Primas anerkannt zu werden, als Haupt aller Kirchen in den Königreichen. Dagegen regte sich heftiger Widerstand, vor allem von Imleach aus, dessen Gründer, wie Bischof und Abt darlegten, Ailbe gewesen war, der das Christentum schon vor Patrick in den fünf Königreichen verbreitet hatte, und auch andere neben ihm.
»Ard Macha sollte man nicht nach der Zahl der dort Wohnenden beurteilen, sondern danach, wie es die Lebensweise |99| derjenigen prägt, die es anzuspornen sucht«, faßte sie ihre Eindrücke von dort zusammen.
Bruder Cú Mara war vor einem aus Steinen errichteten Bau stehengeblieben, der sich etwas abseits von den Hauptgebäuden der Abtei befand, und wies auf eine Tür.
»Das ist Schwester Uallanns Apotheke.«
Leise klopfte er an.
Eine barsche Stimme hieß sie hereinkommen.
Sie betraten einen Saal. Die scharfen Gerüche von an die hundert zum Trocknen aufgehängten Kräutern und Pflanzen nahmen ihnen fast den Atem, zumal sich noch ein Geruch darein mengte, der von einem Kessel über dem Feuer ausging. Darin brodelte eine seltsam aussehende Brühe. Bänke mit Amphoren, Krügen und Töpfen zogen sich an den Wänden hin. Über einer Bank hing ein Bord mit einer Reihe angegilbter Manuskriptbände. An einem Ende des Raums stand ein aus starken Planken gezimmerter Tisch, der so breit war, daß zwei Personen nebeneinander darauf hätten liegen können. Die fleckige und mit Kratzern verschandelte Platte ließ vermuten, wozu die Apothekerin oder Heilkundige den Tisch nutzte.
An einem kleineren Tisch daneben saß eine Frau mit einem Mörser und zerstampfte etwas mit dem Stößel.
Ihr gerötetes Gesicht mit stechend blauen Augen war umrahmt von strähnigem dunklen Haar und wies männliche Züge auf. Sie hatte eine große Nase, und über der Oberlippe wuchs schnurrbartartiger Flaum. Ihr Alter ließ sich schwer schätzen.
»Was ist? Ich hab zu tun«, rief sie mit schriller Stimme, als sie aufschaute. »Sagt rasch, was euch fehlt. Ich hab keine Zeit.«
Der junge Verwalter blickte Fidelma um Nachsicht heischend an.
|100| »Das ist Schwester Uallann.« Und zur Ärztin sagte er: »Schwester Uallann, das ist Fidelma von Cashel. Sie ist eine
dálaigh
und ist gekommen, um die Todesfälle von Äbtissin Faife und dem Ehrwürdigen Cináed zu untersuchen.«
Die Schwester blieb sitzen. »Aus Cashel? Von Cashel? Weiß sie nicht, daß die Uí Fidgente mit Cashel nichts zu tun haben wollen? Wir haben Eoganán Lehnstreue gelobt. Eine
dálaigh
von Cashel brauchen wir nicht.«
Conrí räusperte sich. Ihm war es sichtlich unangenehm, wie sich diese Begegnung entwickelte.
»Schwester Uallann, erinnerst du dich an mich? Ich bin Conrí …«
Die Frau seufzte hörbar und knallte den Stößel neben den Mörser, daß es dumpf hallte.
»Natürlich kenne ich dich, Fürst Conrí. Altersschwach bin ich noch nicht.«
Conrí wurde rot. »Eoganán ist bei Cnoc Aine gefallen, das ist zwei Jahre her. Die Uí Fidgente haben jetzt Cashel Lehnstreue geschworen. Schwester Fidelma ist die blutsverwandte Schwester von Colgú, dem rechtmäßigen König über ganz Muman. Sie ist die
dálaigh,
die wir angefordert haben, um den gewaltsamen Tod der Äbtissin und des Ehrwürdigen Cináed aufzuklären.«
Schwester Uallann krauste die Stirn, schwieg einen Moment und dachte nach. »Mein Mann ist auch tot. Ist umgekommen wegen der Machenschaften von Cashel. Die Uí Fidgente sind jetzt befriedet. Trotzdem werden immer noch Mordtaten im Lande verübt.«
Fidelma trat näher; etwas unter ihrem Fuß knirschte. Sie blickte auf die Erde und entdeckte herumliegende Kristallkörner.
»Dir ist da etwas heruntergefallen, Schwester Uallann.«
|101| »Nicht der Rede wert. Ich hab vorhin bloß eine Arznei verschüttet.«
Etliche solcher Kristalle
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