Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman
jetzt veröffentlichen und fragen, ob ihn jemand erkennt, wenn wir sagen, dass er jemand anderes war, können wir
vielleicht herausfinden, wer er wirklich gewesen ist. Und wenn wir das wissen, finden wir vielleicht auch heraus, was im Safe
gelegen hat …«
»Und wer so scharf darauf war.«
»Wir könnten eine Anzeige aufgeben«, sagte er. »Eine Kleinanzeige, es würde nicht viel kosten.
»Nein«, antwortete sie. »Das können wir wesentlich besser.«
»Wie?«
»Kara-An Rousseau.«
Er sah sie nur an.
»Sie hat mich für heute Abend zum Essen eingeladen«, sagte er, und plötzlich tat es ihm Leid, dass er abgelehnt hatte.
Die Eifersucht erhob ihr Haupt. »Kara-An?«
»Ja«, sagte er. »Aber ich habe abgesagt. Ich wusste nicht …«
»Sie müssen hingehen«, sagte sie.
Ich wusste nicht, dass ihr euch so gut kennt,
dachte sie.
»Ich kenne sie nicht.«
»Wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen sofort mit ihr reden.«
|197| »Wollen Sie mich begleiten?«
Sie wäre gern mit ihm dorthin gegangen, sie … aber …
»Ich bin nicht eingeladen.«
»Ich werde fragen, ob ich jemanden mitbringen kann.«
»Nein«, antwortete sie. »Das ist nicht nötig. Es ist noch früh genug. Vielleicht können wir uns mit ihr noch vor dem Essen
treffen.« Sie stand auf, holte ihr Handy, suchte die Nummer im Adressverzeichnis und wählte. Es klingelt.
»Kara-An.«
»Hier ist Hope. Stör ich dich?«
»Hallo, natürlich nicht. Wie geht’s?«
»Ich fühl mich ziemlich verrückt im Moment, danke. Erinnerst du dich noch an den Fall mit dem Testament, von dem ich dir erzählt
habe?«
»Natürlich. Bei dem dir dieser Mr. Sexy zur Hand geht?«
»Kara-An, wir brauchen dringend deine Hilfe.«
»Meine
Hilfe?«
»Ja, ich weiß, es ist ein ungünstiger Zeitpunkt, aber können wir uns kurz mit dir unterhalten. Es wäre nett …«
»Natürlich, das klingt faszinierend. Und ihr müsst zum Essen bleiben. Ich hab einige Leute eingeladen. Kommt doch ein wenig
früher …«
»Ich möchte dir deinen Samstagabend nicht durcheinander bringen, Kara-An.«
»Red keinen Unsinn. Hier ist ausreichend Platz, und es gibt mehr als genug zu essen.«
»Bist du dir sicher?«
»Absolut. Ich kann es kaum erwarten, an der großen Suche teilnehmen zu dürfen.«
Sie verabschiedeten sich.
|198| Hope Beneke wandte sich an van Heerden.
»Stecken Sie Ihr Geld wieder ein«, sagte sie. »Bevor ich es für ein neues Outfit für diesen Abend ausgebe.«
Acht Stunden später würde sie in ihrem Bett liegen und sich fragen, wie ein Abend, der so förmlich und konventionell begonnen
hatte, in so großem Chaos, so gewalttätig enden konnte. Sie würde dort liegen, ihre Ernüchterung und Demütigung beweinen und
erneut über seine Worte nachdenken, »wir sind schlechte Menschen«, und sich fragen, ob er vielleicht Recht hatte — und wo
in ihr die Schlechtigkeit verborgen lag.
Aber als er gekommen war, um sie abzuholen, und in schwarzer Hose, weißem Hemd und schwarzer Jacke vor ihrer Tür stand, hatte
sie ein Gefühl der Wärme für ihn empfunden — für die Anstrengungen, die er unternommen hatte, um sich der Kleiderordnung anzupassen,
auch wenn der Schnitt nicht mehr unbedingt modern war und seine Schuhe eigentlich nicht passten. Seine Augen weiteten sich
leicht, als er sie in ihrem kurzen schwarzen Kleid erblickte, und mit unverhohlener Überraschung und ehrlich sagte er: »Sie
sehen toll aus, Hope.« Einen Augenblick lang hatte sie die Hand ausstrecken und ihn berühren wollen, doch gnädigerweise drehte
er sich um und schritt zu seinem Wagen, bevor sie ihrem Impuls nachgeben konnte.
Wohltuend schweigend fuhren sie durch den Regen Richtung Berg, bis sie ihn durch die schmalen Straßen lotste, hoch oben am
Hang, und sie vor dem riesigen, alten viktorianischen Haus in Oranjezicht anhielten. Er pfiff durch die Zähne.
|199| »Alter Finanzadel«, sagte sie. »Ihr Vater war Abgeordneter im Parlament.«
Der Anblick Kara-Ans in ihrem scharlachroten Kleid und barfuß — ihr schwarzes Haar, die blauen Augen, die atemberaubenden
und ausgeprägten Kinn-, Wangen- und Nackenlinien —, war wie ein Ruf aus seiner Vergangenheit; all dies wollte er im Gedächtnis
speichern, um später in aller Ruhe darüber nachdenken zu können.
Im Haus herrschte einiger Trubel, junge Leute in weißen Schürzen arrangierten Blumen, trugen Platten und Gläser in das Speisezimmer.
»Die Caterer sind noch beschäftigt, gehen wir zur Bibliothek
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