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Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman

Titel: Tod vor Morgengrauen: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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einzelnen, hilflosen Opfers, wie dies bei
     Serienmördern der Fall ist.
    Massenmörder sind die Shooting Stars im hellen Tageslicht, sie schwingen die Sense des Todes im Augenblick lodernden Unheils,
     werden meistens schnell gefasst und lassen letztendlich zahllose Fragen unbeantwortet.
    Serienmörder sind die verdeckten Kometen des dunklen Firmaments, die immer und immer wieder ihrer Bahn der |258| Zerstörung folgen — heimliche Diebe der Nacht. Ihr Verbrechen ist ein Schaufenster ihrer Macht, der vollständigen Herrschaft
     über das Opfer und dessen Demütigung, der erbärmliche Versuch, sich für den völligen Mangel an normalen, gesunden sozialen
     und sexuellen Beziehungen zu rächen.
    Baby Marnewicks Akte war ein klassisches Beispiel, sie passte perfekt auf die Psyche eines Serienmörders.
    Wenn die Ansichten und Theorien der beiden Artikel stimmten, hieß dies, dass es möglich war, Baby Marnewicks Mörder zu identifizieren.
     Hatten doch die beiden Verfasser konzeptuelle Modelle für Täter präsentiert, deren Verhalten und deren Lebensweise Ähnlichkeiten
     aufwiesen — denn üblicherweise handelt es sich dabei um unverheiratete Männer mit einem Minderwertigkeitskomplex, die noch
     bei ihrer dominierenden oder promiskuitiven Mutter wohnen und denen nach einer Machtpositionen verlangt, wie sie von der Polizei
     oder den Streitkräften geboten werden; gewöhnlich leben sie allerdings eher am Rand der Law-and-Order-Welt und gehören zum
     Beispiel einem Sicherheitsdienst an. Sie haben ein Faible für Pornografie, wobei der Schwerpunkt auf Bondage liegt — mit allen
     möglichen Variationen des Themas.
    Sie sind vorhersehbar, identifizierbar. Und zu fassen.
    Damals bedeutete das auch, dass Baby Marnewick nicht das erste oder einzige Opfer ihres Mörders gewesen war. Serienmörder
     sind, laut den Verfassern der Artikel, wie Unternehmer, die mit jedem Mord an Effizienz gewinnen, selbstbewusster werden,
     für die sich durch jeden neuen Erfolg neue Perspektiven devianten Verhaltens, der Herrschaft, Kontrolle |259| und Demütigung auftun. Der Marnewick-Fall, an dessen Einzelheiten ich mich nur allzu gut erinnerte, zeugte von einem effizienten,
     hoch entwickelten, erfahrenen Täter.
    Ich las die Artikel unzählige Male, immer wieder, durchlebte erneut meine Scham am Holzzaun, sah meine unbeantworteten Fragen
     mit einer Deutlichkeit vor mir, die mich überraschte. Die neuen Erkenntnisse fegten mühelos die dünne Staubschicht von meinem
     Gedächtnis, die sich in den Jahren seit meiner Jugend über den Vorfall gelegt hatte.
    Ich dachte darüber nach. Wenn ich mich an alles so leicht, so klar erinnern konnte, hieß dies, dass Baby Marnewick wie ein
     psychologisches Bleigewicht an meinem Hals hing, ein Krebsgeschwür in meiner Psyche, das sich unsichtbar in meinem ganzen
     Körper ausgebreitet hatte. War das der Grund, warum ich keine feste Beziehung eingehen konnte, oder nur ein Faktor von vielen?
     Welche anderen Bereiche meines Lebens waren dadurch vergiftet worden? Ich dachte lange darüber nach.
    Und ich fand berufliche Anreize. Ich analysierte die Auswirkungen auf die praktische Polizeiarbeit, den Einfluss, den dies
     auf die Ermittlungsmethoden hatte, und verwies auf die Pflicht, die wir als Universitätsinstitut besaßen, den ausführenden
     Arm des Gesetzes von dem neuen Wissensstand in Kenntnis zu setzen.
    Vorherrschend aber war der Drang zu handeln, die Vergangenheit zu entschleiern, den Schuldigen zu erkennen und ihn bloßzustellen,
     den Geist zu begraben.
    Und wenn mir die akademische Welt etwas beigebracht hatte, dann dies: wie eine Aufgabe zu planen, wie jeder einzelne Schritt
     mit dem verfügbaren Kenntnisstand abzugleichen |260| war, wie man auf dem festen Boden des Bewiesenen voranschreitet, um nicht im Treibsand wilder Theorien zu versinken.
    Schritt eins würde es sein, mich ganz in das Thema zu vertiefen.
    Zwei Wochen lang arbeitete ich an einer Schrift, die die Grundzüge meiner Doktorarbeit darstellte und die ich Professor Cobus
     Taljaard vorlegte, nachdem ich sie mehrere Male umgeschrieben hatte. Er war ein sehr integrer, sehr besonnener Akademiker,
     und ich wusste, dass der Schritt, mit dem ich auf neues Terrain vorstoßen wollte, von mir eingehend begründet werden musste.
     Doch eröffnete sich uns dadurch auch die Möglichkeit, dass wir zu Pionieren wurden, akademischen Entdeckern aus der rückständigen
     Dritten Welt, die vielleicht (wie Chris Barnard) dem belächelten

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