Todes Kuss
ähnlich und mehr nicht.“
Ich schüttelte den Kopf. „Undenkbar, dass zwei fast identische Stücke von Praxiteles existieren! Ich habe inzwischen einiges über diesen Bildhauer gelesen. Anscheinend existieren heute neben seinem Apollo nur weniger als ein halbes Dutzend Stücke aus seiner Werkstatt. Fast alles, was über ihn bekannt ist, wissen wir aus alten Texten und weil die Römer seine Werke gern kopiert haben.“
Man konnte Ivys Gesicht ansehen, wie angestrengt sie nachdachte. „Würde das, was du gesagt hast, etwa nicht bedeuten, dass Philip mit diesen Fälschern unter einer Decke steckte?“
„Genau das befürchte ich. Allerdings bin ich gleichzeitig fest davon überzeugt, dass er ein Ehrenmann war. Ach Ivy, das ergibt doch alles keinen Sinn!“
„Hast du in Erwägung gezogen, dass der Restaurator sich irren könnte?“
„Er trat sehr überzeugend auf. Und bestimmt ist er ein Fachmann, dem man vertrauen kann. Sonst hätte Lord Palmer ihn nicht empfohlen.“
„Mit fällt es noch immer schwer, zu glauben, dass man überhaupt eine so perfekte Kopie anfertigen kann.“
„Habe ich dir nie von Mr Attewater erzählt? Auf seine Art ist er ein Genie. Er kopiert antike Objekte. Und man sagt, diese seien von den Originalen nicht zu unterscheiden.“
„Lebt er in London?“
Ich nickte.
„Dann könntest du ihn vielleicht bitten, dich ins Museum zu begleiten und einen Blick auf den Apollo dort zu werfen. Möglicherweise ist er in der Lage, eine Fälschung zu erkennen. Ihr könntet dann die Museumsleitung informieren.“
„Das halte ich nicht für eine gute Idee.“
„Warum denn nicht?“
„Wenn Philip tatsächlich in verbrecherische Geschäfte verwickelt war, möchte ich als seine Ehefrau das ganz bestimmt nicht aufdecken.“
„Es stimmt natürlich“, meinte Ivy nachdenklich, „dass wir nicht sehr viel über Philip wissen. Während eurer kurzen Ehe hattest du keine Chance, ihn wirklich gut kennenzulernen.“
„Eben!“ Ich seufzte. „Inzwischen weiß ich allerdings ein bisschen mehr über ihn. Ich habe sein Tagebuch gelesen. Darin schreibt er über seine tiefen Gefühle mir gegenüber. Und das Porträt, das er bei Renoir in Auftrag gab, beweist, wie romantisch er veranlagt war.“
„Leider hilft uns das jetzt nicht weiter. Trotzdem hättest du meiner Meinung nach gespürt, wenn er ein schlechter Mensch gewesen wäre. Er hat dich doch immer sehr zuvorkommend behandelt.“
„Ja, mir gegenüber hat er sich großzügig, freundlich und verständnisvoll gezeigt. Aber kann nicht auch ein Krimineller seine Frau von Herzen lieben?“
„Emily!“ Ivy sah entsetzt drein. „Du bezeichnest Philip als Kriminellen?“
„Nein, ich sage nur, dass ein Gemahl, der seine Frau gut behandelt, nicht notwendigerweise in allen Lebensbereichen ein Ehrenmann ist.“
„Aber du bist doch davon überzeugt, dass Philip in jeder Beziehung ein Gentleman war!“
„Ja, denn abgesehen von meinen eigenen, sehr beschränkten Erfahrungen, kenne ich natürlich inzwischen all die Geschichten, die seine Schwester Anne oder Lord Palmer oder auch Colin Hargreaves über Philip erzählen. Obwohl …“ Ich zögerte. „Also, Colin hat mir kürzlich ein paar sehr merkwürdige Fragen gestellt. Er wollte wissen, ob Philip irgendwo notiert hat, welche Kunstwerke er wann und von wem gekauft hat.“
„Könnte das ein Hinweis darauf sein, dass Colin mit diesem Fälscherring zusammenarbeitet?“
„Colin? Hm … Ich mag ihn. Trotzdem würde ich lieber ihn für einen Verbrecher halten als meinen eigenen Mann. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass nicht Colin, sondern Philip die Apollo-Büste gekauft hat.“
„Mich macht Colins Interesse an Philips Geschäften auf jeden Fall misstrauisch.“
Ich zuckte die Schultern.
„Außerdem frage ich mich, wo Philip all die antiken Stücke, für die er sich angeblich so sehr interessiert hat, aufbewahrt haben soll. Hier gibt es doch nur den Apollo, oder?“
„Er hat manches dem Museum gestiftet. Und Colin erwähnte, Philip hätte einige griechische und römische Kunstwerke in Ashton Hall zusammengetragen.“
„Dann sollten wir uns diese Sammlung einmal anschauen“, stellte Ivy fest.
„Du hast recht. Würdest du mich bei dieser Reise begleiten? Wäre Robert überhaupt damit einverstanden?“
„Ich denke, ich könnte ihn überzeugen. Männer sind ziemlich leicht zu lenken, nicht wahr?“
Erleichtert nickte ich. „Gleich morgen werde ich an Cécile schreiben und sie
Weitere Kostenlose Bücher