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Todesacker

Todesacker

Titel: Todesacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth Thomas Bauer
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Identitäten zu klären, war das natürlich nur ein Anfang. Die beiden jungen Frauen hatten Angehörige – Partner, Eltern, vielleicht sogar Kinder -, die sich fragten, wohin sie verschwunden waren, und darauf warteten, von ihnen zu hören.
    Fry hatte einmal eine erstaunliche Statistik gelesen: Etwa achtundneunzig Prozent der Paare, die einen Sohn oder eine Tochter durch ein Gewaltverbrechen verloren hatten, trennten sich nach der Tat innerhalb von zwei Jahren. Das lag daran, dass der Verlust eines Kindes das Leben der Eltern zerstörte und ihre Beziehung einer solch enormen Belastung aussetzte, dass sich der Schaden unter Umständen nie mehr reparieren ließ.
    Achtundneunzig Prozent. Das war eine wirklich katastrophale Statistik. Wenn die Opfer zum Zeitpunkt ihres Verschwindens noch Mädchen oder junge Frauen waren, trennten sich die Eltern sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Sie würde also nach Leuten Ausschau halten müssen, deren Leben bereits in Scherben lag. Dann würde sie an ihrer Tür auftauchen, um ihnen zu sagen, dass ein Leichnam gefunden wurde und dass sie der Meinung sei, es handle sich vermutlich um ihre Tochter. Könnten Sie bitte mitkommen und das bestätigen? Oh, und übrigens: frohe Weihnachten.
    Fry parkte ihren Wagen vor der Hausnummer zwölf und ging die Treppe zu ihrer Wohnung im ersten Stock hinauf. Angie war natürlich nicht zu Hause, doch ihre Kleidungsstücke waren noch da. Draußen würde der Lärm betrunkener Nachtschwärmer noch stundenlang andauern, und auch der Regen würde sie nicht zum Schweigen bringen. Es war dunkel, seit sie sich auf den Weg ins Museum gemacht hatte, um sich die Hand des Ruhms anzusehen. Doch so war das eben Ende Dezember.
    Regen und dunkle Nächte – die ideale Voraussetzung für weihnachtliche Fröhlichkeit.
     
     
    Tom Farnham war inzwischen völlig durchnässt. Seine Schuhe rutschten im Schlamm, als er von einem Baum zum nächsten huschte, und er stolperte immer wieder über Wurzeln. Das Geräusch seines abgehackten Atems eilte ihm trotz des prasselnden Regens und der peitschenden Äste, die ihm ins Gesicht schlugen, im Wald voraus. Doch es war das Atemgeräusch eines Mannes, dessen Leben bereits vorüber war.
    Er blieb kurz stehen, lehnte sich gegen den Stamm einer Eiche und schüttelte den Kopf, wobei Regenwasser, Schweiß und Schlamm von ihm tropfte. Seine Jacke war mit Dreck verschmiert, und an seinen Jeans klebten Blätter, da er durchs Dickicht gestürmt war. Vor ihm befanden sich weitere Bäume und die Uferböschung eines reißenden Bachs, dessen braunes Wasser in der Nacht laut rauschte.
    Farnhams Keuchen übertönte alle Geräusche, die von hinten kamen, bis auf einen weichen Schritt. Einen Moment lang herrschte Stille. Auf den Ästen raschelten Vögel mit ihren feuchten Flügeln, und ein kleiner Wasserschauer ergoss sich über sein Gesicht. Als er unter Schmerzen ausatmete, wurde ihm bewusst, dass das womöglich das letzte Mal war.
    »Das könnt ihr doch nicht machen!«, rief er. »Lasst mich in Ruhe!«
    Er hörte seine eigene Stimme vor Angst beben und wurde wütend über die Erniedrigung, die er ertragen musste.
    »Ihr macht einen Fehler. Wisst ihr das? Einen großen Fehler.«
    Eine Kugel flog zischend über seinen Kopf hinweg, ehe sie sich in einen Baumstamm bohrte. Das war jedoch nur ein kleines Vorspiel. Farnham hörte, wie ein Hahn gespannt wurde.
    Dann rannte er abermals los und lief im Zickzack zwischen den Bäumen hindurch, wobei er jedoch immer wieder im Matsch ausrutschte. Er versuchte verzweifelt, zum Telefon zu gelangen, und war bereits fast wieder bei seinem Haus angekommen, als die zweite Kugel unmittelbar über der Kniekehle von hinten in seinen Oberschenkel eindrang. Sie durchtrennte eine Sehne, riss ein Loch in seinen Oberschenkelknochen und durchbohrte seinen Oberschenkelmuskel. Die Kugel trat durch einen Riss in seiner Jeans aus und grub sich in den Boden, als er nach vorn aufs Gesicht fiel.
    Farnham versuchte, wieder aufzustehen, doch sein rechtes Bein weigerte sich, sein Körpergewicht zu tragen. Ihm kamen die Tränen, als er hilflos zusammensackte und verängstigt den Schritten lauschte, die sich ihm langsam näherten – bedächtige Schritte, die fast lautlos über das feuchte Laub glitten. Er hörte ein Rascheln und dann eine Stimme, leise und tief.
    »Wir machen alle Fehler«, sagte sie.
    Die dritte Kugel nahm Farnham nicht mehr zur Kenntnis.
    Als die beiden Männer erledigt hatten, wofür sie gekommen

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