Todesahnung: Thriller (German Edition)
reden.«
»Wo können wir uns treffen?«
»Oh«, wehrt er meinen Ansturm ab. »Geht das nicht am Telefon?«
»Eher nicht.« Weil ich entweder zusammenbreche oder noch was viel Schlimmeres passiert.
»Du klingst gestresst. Ist alles in Ordnung?«
»Nein«, antworte ich. »Können wir uns irgendwo treffen?«
»Das ist das Problem. Ich will gleich mit Dakota und Sean in den Zoo im Central Park gehen.«
»Perfekt. Wir treffen uns dort. Zehn Minuten.«
Stille.
»Was ist, Michael?«
»Die Kinder«, antwortet er.
»Wieso, meinst du nicht, dass sie mich sehen wollen?«
»Doch, genau das ist es, Kristin. Sie sehen dich so gern, dass sie es gleich als Erstes ihrer Mutter erzählen, wenn wir nach Hause kommen.«
»Und wenn wir uns zufällig treffen?«
Er kichert auf eine Weise, die mir auf Anhieb nicht gefällt. Beinahe herablassend. Das kann er ruhig tun, aber nicht mit mir.
»Du bist ganz schön fordernd«, stellt er fest.
Jetzt bin ich leicht sauer. Und ja, ich bin gestresst, okay?
»Du hast Recht, Michael, ich bin fordernd. Ich strecke meine Arme nach dir aus, aber du bist nicht für mich da.«
»Komm schon, sei nicht so melodramatisch, Kris. Schalt mal einen Gang runter.«
»Wie wär’s später?«, dränge ich. »Hast du nach dem Zoo Zeit?«
Wieder dieses beredte Schweigen. »Ich kann nicht«, antwortet er. »Ich würde gerne, wenn ich könnte. Penley hat für heute Abend ausgemacht, dass wir uns mit einem anderen Paar treffen.«
Ich will gerade die Schleusen der Frustration öffnen und alles auf ihm abladen, als er sich plötzlich räuspert.
»Ich prüfe die Zahlen für dich, Carter. Ich kümmere mich drum«, sagt er in perfektem Geschäftston.
Mist.
»Ist Penley gerade reingekommen?«, frage ich.
»Ja, Carter, das stimmt. In diesen Dingen liegst du immer richtig.«
Michael plappert über Fremdkapitalquoten und Einkommensentwicklungen im Dienstleistungssektor. Das muss ich ihm lassen, der Übergang war nahtlos.
»Okay, sie ist weg«, sagt er kurze Zeit darauf.
»Was wollte sie?«
»Die Kinder warten, deswegen hat sie auf ihre Uhr gedeutet und ein unglaublich gehässiges Gesicht gezogen - aber das ist ja nichts Neues.«
Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken. Ich bin mittlerweile etwas ruhiger, und mir gefällt es, wenn er über Penley herzieht. Das passt ganz gut zu meiner »Mach-mit-Penley Schluss«-Kampagne.
»Also, wo waren wir stehen geblieben?«, fragt er.
»Du bist nicht für mich da«, antworte ich.
Michael seufzt. »Es tut mir so leid, Schatz«, sagt er. »Weißt du was? Wir wollten morgen nach Connecticut zu meinen Schwiegereltern fahren. Ich könnte es doch so wie letztes Mal machen und behaupten, es sei was mit der Arbeit dazwischengekommen. Besser noch, ich gebe dir die Schuld, Carter.«
»Das ginge?«
»Klar. Wir können den ganzen Tag zusammen verbringen, vielleicht rausfahren und irgendwo picknicken, und du kannst mir erzählen, was dir auf der Seele liegt.«
Hm, das würde ich ihm aber gern jetzt erzählen - sofort. Zumindest glaube ich das. Was eine interessante Frage aufwirft: Wie sehr vertraue ich ihm wirklich?
»Michael, ich …«
»Oh, Scheiße«, unterbricht er mich gehetzt. »Penley kommt zurück. Ich rufe dich morgen früh an, ja?«
Mir bleibt keine Zeit zu antworten.
Er hat aufgelegt.
Wie in Zeitlupe lege ich ebenfalls auf. Es ist schwer, mein Gefühl in Worte zu fassen. Leere? Taubheit?
Immer noch allein?
Gewöhnlich macht allein der Gedanke, mit Michael zusammen zu sein, alles besser. Klappt nicht mehr. Zumindest heute nicht. Weil mir morgen nicht früh genug ist.
Also greife ich gleich wieder zum Telefon.
Ich muss jemand anderen anrufen.
Eigentlich hätte ich diesen Anruf zuerst tätigen sollen.
34
»Danke, dass Sie so kurzfristig für mich Zeit haben, Dr. Corey.«
Ich beobachte meinen Extherapeuten, wie er langsam - und ich meine wirklich langsam - seine Pfeife mit Tabak aus einem Plastikbeutel stopft. Echt, Eisgletscher bewegen sich schneller.
Aber das ist in Ordnung. Schließlich wird er mir helfen.
»Ehrlich gesagt, Kristin«, beginnt er, den Blick auf seine Pfeife geheftet, »ich bin nicht besonders glücklich über diese Verabredung. Allerdings so, wie Sie am Telefon klangen, mit dieser verzweifelten Stimme, fühlte ich mich als Therapeut zu diesem Treffen verpflichtet. Nun sitzen wir also hier. Was kann ich für Sie tun?«
Danke, Herr Doktor, jetzt fühle ich mich richtig gut
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