Todesahnung: Thriller (German Edition)
darüber nach. Ich bitte Sie nur, bei Ihren Antworten so ehrlich wie möglich zu sein.«
»Weil es keine falschen Antworten gibt«, sage ich.
»Genau.«
Er wiederholt den Satz für mich. Ich betrachte mich als …
»Anständigen Menschen«, antworte ich.
»Sehen Sie. Ist doch nichts dabei. Gut, der nächste Satz«, drängt er. »Die Welt wird immer Pünktchen - Pünktchen - Pünktchen -.«
»Gefährlicher.« Daran besteht kein Zweifel.
»Ich denke, die meisten Menschen sind …«
»Einsam.«
»Wenn ich unter Stress stehe, möchte ich …«
»In meiner Dunkelkammer arbeiten.«
»Wenn ich eine Sache an mir ändern könnte, dann wäre das …«
»Meine Karriere. Ich meine, ich wäre gerne erfolgreicher. Ich bin Fotografin.«
»Der letzte Mensch, über den ich mich geärgert habe, war …«
»Ich selbst.«
»Der wichtigste Mensch in meinem Leben ist …«
Ohne nachzudenken, öffne ich den Mund, um »Michael« zu antworten, kann mich aber gerade noch zurückhalten. Diese Antwort kann ich ihm nicht geben!
»Was ist los?«, fragt Dr. Curley.
»Äh, nichts.« Ich rutsche auf meinem Stuhl hin und her. »Ich musste kurz darüber nachdenken. Der wichtigste Mensch in meinem Leben ist Connie, meine beste Freundin.«
Er nickt. Das tut er schon die ganze Zeit, doch diesmal etwas langsamer. Weiß er, dass ich lüge? Natürlich tut er das. Der Kerl ist nicht dumm.
»Gut, die letzten beiden Sätze«, fährt er fort. »Ich hatte eine Pünktchen - Pünktchen - Pünktchen Kindheit.«
Ich zögere, bevor ich antworte. »Schwierige.«
»Und die Letzte: Ich habe am meisten Angst vor …«
Das ist einfach. »Dem Sterben.«
67
Dr. Curleys Stift gleitet auf seinem Klemmbrett vor und zurück, während er sich ein paar weitere Notizen macht. In Anbetracht meines Schlafmangels hat sein Stift die Wirkung der baumelnden Taschenuhr eines Hypnotiseurs. Ich kann kaum meine Augen aufhalten. Aber ich will nicht, dass der Traum wiederkehrt.
»Sind Sie noch bei mir, Kristin?«
Ich zucke zusammen. Dr. Curley blickt mich an, sein Stift liegt auf seinem Klemmbrett. »Ja, tut mir leid«, sage ich.
»Schon in Ordnung. Kein Problem.«
»So, habe ich bestanden?«
»Wie gesagt, es gibt keine falschen Antworten. Und Tricks auch nicht. Aber ich weiß Ihre Ehrlichkeit zu schätzen.«
»Und jetzt?«, frage ich. Apropos Ehrlichkeit.
Er rückt seine Drahtgestellbrille zurecht. »Ich denke Folgendes«, beginnt er. »Es wird langsam spät, bis zu Ihnen nach Hause sind es mehrere Kilometer, Sie hatten einen leichten Unfall, und Sie sind eindeutig erschöpft. Wie wär’s, wenn Sie die Nacht hier im Krankenhaus verbringen?«
Wenn man es so ausdrückt …
Der Gedanke, nicht sofort nach Manhattan zurückfahren zu müssen, übt einen starken Reiz auf mich aus. Ebenso die Aussicht auf einen seit langem fälligen guten Schlaf. Wer weiß? Vielleicht werde ich hier im Krankenhaus diesen verdammten Traum, den Brandgeruch und die Kakerlaken los.
»Klar, warum nicht?«, komme ich zu dem Schluss.
Dr. Curley bittet mich, hierzubleiben und zu entspannen, während er die Angelegenheit mit einem Arzt abklärt. Er schließt die Tür hinter sich.
Ich sitze und warte. Werde leicht kribbelig. Und paranoid? Natürlich.
Ein paar Minuten verstreichen, gefolgt von weiteren. Ich bleibe, doch das mit der Entspannung klappt nicht. Wo steckt er? Na los, ich bin eindeutig erschöpft, wissen Sie noch?
Ich stehe auf und gehe zur Tür, die ich nur so weit öffne, um den Kopf hindurchschieben zu können. Ein Stück den Flur hinunter telefoniert Dr. Curley auf seinem Handy. Neben ihm steht ein anderer Mann, der, wie ich vermute, der Arzt ist, den er erwähnte. Diesen kann ich aber nicht erkennen, weil er von Dr. Curleys buschigem Haar verdeckt wird.
Dann macht Dr. Curley einen Schritt zur Seite, so dass ich einen Blick auf das Gesicht des anderen Arztes erhaschen kann. Einen überraschten Blick, bei dem mein Herz einen Purzelbaum schlägt.
Ich kenne ihn!
Oder kannte ihn vielmehr.
Bevor er in meiner Heimatstadt Concord in Connecticut ermordet wurde.
68
Dies muss der Megahinweis auf das derzeitige Mysterium mit dem Namen »Mein Leben in den letzten Tagen« sein.
Ich reiße den Kopf zurück und schließe rasch die Tür. Ich bin allein im Zimmer, was ich auch unbedingt so beibehalten möchte.
Ich habe keine Ahnung, wieso Dr. Magnumsen, mein Kinderarzt aus meiner Heimatstadt, lebt, geschweige denn, wieso er in Brooklyn
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