Todesahnung: Thriller (German Edition)
erweiterten Selbstmord anzuhängen.
Was hat er auf dem Anrufbeantworter über Stephen gesagt? »Was ist, wenn er damit nicht zurechtkommt?«
Als Michael sich erhebt und mich finster anblickt, habe ich das Gefühl, vor einem mir völlig Fremden zu stehen.
»Du dürftest eigentlich nicht hier sein«, sagt er.
Wenn das nur wahr wäre! Meine Anwesenheit war eindeutig geplant, nur verstehe ich den Grund noch nicht.
»Woher hast du die Waffe?«, frage ich.
»Das ist egal.«
Ich glaube, ich weiß es. »Vincent hat sie dir besorgt?«
Michael nickt. »Er parkt unten. Um die Ecke. Er wird uns nach Hause fahren, wo wir warten, bis uns die Polizei verständigt. Jetzt ist unsere schauspielerische Leistung gefragt, Kristin.«
103
Ich höre Michael kaum, meine Beine werden weich wie Gummi. Jetzt bin ich seine Komplizin, oder? Eine Komplizin für einen Doppelmord. Aber ich habe nichts getan. Ich kam her, um Michael aufzuhalten, nicht, um ihm zu helfen.
Er packt meine Schultern und schüttelt mich. »Du musst jetzt zu mir halten, ja? Du musst zu mir halten, Kristin. Es wird alles gut.«
Dies scheint nicht der richtige Ort und die richtige Zeit für ein Geständnis zu sein, aber doch ist es irgendwie genau richtig.
»Ich muss dir etwas erzählen«, sage ich.
»Nicht gerade jetzt. Nicht jetzt!«
»Doch. Genau hier und jetzt. Vor drei Jahren …«
»Kris, sei still! Sei einfach still!«
»Vor drei Jahren war ich schwanger und kurz vor der Geburt meines Kindes. Ich kam mit meinem Freund, der der Vater des Babys war, nach New York.
Ich habe das Baby genau hier in diesem Hotel bekommen, Michael. Siehst du das nicht? Verstehst du es nicht? Alles dreht sich um dieses Hotel, was auch immer es ist. Mein Freund Matthew war Medizinstudent im Grundstudium. Er hat das Baby zur Welt gebracht, einen kleinen Jungen wie Sean, genau hier. Wir hatten vereinbart, das Baby gleich nach der Geburt in einem Krankenhaus abzugeben. Aber der Kleine starb. Genau hier im Falcon. Kannst du dir vorstellen, wie das war? Ich habe mein Baby sterben lassen, Michael! Ich habe mein Baby sterben sehen, meinen kleinen Jungen.«
Jetzt schaut Michael mich an, als frage er sich, ob er mich kennt. Genau das frage ich mich seit drei Jahren auch immer.
»Wir müssen gehen«, sagt er.
Ich blicke in seine Augen, weil ich es nicht ertrage, woanders hinzusehen. Nicht auf den weggepusteten Stephen, nicht auf Penley - nein, auf Penley schon gar nicht.
Er hat es wirklich getan. Er hat sie getötet.
»Alles wird gut«, beruhigt er mich, als wir zur Tür gehen. »Wir sind hier fertig.«
Aber nicht, was mich betrifft. Auch nicht annähernd.
Insgesamt habe ich vier Leichensäcke gesehen, Stephen und Penley sind zwei. Zwei Tote. Also sind wir hier noch lange nicht fertig.
»Moment.« Ich bleibe stehen. »Was war das für ein Geräusch?«
Ein Geräusch von einem der Toten?
104
»Überraschung, du Schwein!«
Ich wirble gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie sich ein Messer in Michaels Hals bohrt. Einmal, zweimal sticht Penley zu, bevor Michael überhaupt weiß, was los ist.
Revanche, das ist los.
Michael greift mit beiden Händen an seine Kehle, aus der rotes Blut sickert und von seinem Hemd aufgesaugt wird. Sein Mund öffnet sich, doch ich höre nur sein gurgelndes Blut.
Immer wieder sticht Penley auf ihn ein. Dreimal, viermal. Das ist nicht Penley, sondern eine besessene Mörderin. Und noch einmal verschwindet die Klinge in Michaels Fleisch - im Hals, in der Brust, in den Schultern. Er kann kaum seine Hand heben, um sie aufzuhalten.
Und freiwillig wird sie es nicht tun.
Ich greife nach Penleys Arm. Sie ist viel kleiner als ich - und sie wurde erschossen! -, und trotzdem stößt sie mich von sich, als wäre ich nichts. Genau das, was ich schon immer für sie war.
Bin ich die Nächste?
Ich drehe mich um, wo Stephens Leiche nackt auf dem Boden liegt. Mein Blick wandert von seinem durchschossenen Kopf an seinem Arm entlang bis zur ausgestreckten Hand.
Die Waffe!
Halb renne ich, halb krabble ich auf ihn zu, versuche nur zu überleben, mehr nicht. Ich brauche seine Waffe.
Hinter mir fällt Michael mit einem dumpfen Schlag auf den Boden. Keuchend schnappt er nach Luft, und mir wird klar, dass ich ihn immer noch liebe, dass er sterben wird.
Als sich meine Hand zur Waffe hin ausstreckt, höre ich Penley hinter mir.
»O nein, das tust du nicht!«
Ich reiße Stephen die Waffe aus der Hand und wirble herum,
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