Todesangst
einziges Chaos. Alle Schubladen und Schränke hatte man ausgeräumt und ihren Inhalt auf den Boden geworfen. Die teure technische Ausstattung aber hatte man offenbar nicht angerührt, und so stimmten die beiden darin überein, daß es bei dem nächtlichen Besuch nicht um Zerstörung gegangen sein konnte, sondern daß man etwas gesucht hatte. Howard warf einen Blick in das Büro von Hayes; dort sah es genauso aus, auch da hatte man die Schubladen herausgerissen und alles darin auf dem Boden verstreut, und das gleiche war mit dem Inhalt der Aktenschränke geschehen. In der Tür zur Tierstation erschien Helene Brennquivist mit bleichem und abgespanntem Gesicht. Wiederum war ihr Haar streng und straff nach hinten gekämmt, doch da sie diesmal nicht den üblichen formlosen Laborkittel anhatte, fiel auf, daß sie eine attraktive Figur hatte.
»Können Sie schon sagen, ob irgend etwas fehlt?« fragte Shirley Montgomery.
»Nun, ich kann meine Kladden mit den Eintragungen nirgends finden«, sagte Helene Brennquivist, »und auch ein paar von den Kolibakterien-Kolonien sind verschwunden. Das Schlimmste aber ist mit den Tieren geschehen.«
»Was ist mit ihnen?« fragte der Arzt, der bemerkte, daß ihr sonst so unbewegtes Gesicht nun von Schreck und Abscheu erfüllt war.
»Das müssen Sie sich selbst anschauen. Man hat sie alle getötet!«
Dr. Howard ging um die Assistentin herum und betrat durch die schwere Stahltür die Tierstation. Sofort überfiel ihn ein starker, beizender Geruch wie in einem Zirkus oder Zoo. Er machte das Licht an und fand sich in einem ziemlich großen Raum, der etwa zehn auf zwanzig Meter messen mochte. Die Käfige waren in Reihen aufgestellt und aufeinandergestapelt, manchmal bis zu sechs Stück hoch.
Der Arzt warf einen Blick in die ihm zunächst stehenden Käfige; die Tür fiel hinter ihm mit einem nachdrücklichen Laut ins Schloß. Helene Brennquivist hatte nicht übertrieben - alle Tiere waren tot, in verzerrter Haltung schrecklich verrenkt, oft mit blutiger Zunge, als ob sie sie im Todeskampf zerbissen hätten.
Howard ging die Käfigreihe weiter hinunter und sah plötzlich etwas, was ihm fast den Magen umdrehte - in einer Gruppe größerer Käfige waren Ratten von einer Größe, wie er sie nie zuvor gesehen hatte. Sie waren so groß wie Schweine, und ihre kahlen, peitschenartigen Schwänze waren so dick wie Howards Handgelenk. Ihre hervorstehenden Zähne waren zehn Zentimeter lang. Beim Weitergehen stieß er auf Kaninchen, die etwa ebenso groß waren, und auf weiße Mäuse von der Größe kleiner Hunde.
Diese Seite der Gentechnologie entsetzte den Arzt. Obwohl er sich erschreckt fragte, was er wohl noch alles zu sehen bekäme, trieb ihn eine gewisse morbide Neugier weiter. In anderen Käfigen sah er so schlimme Mißbildungen vertrauter Lebewesen, daß ihm übel zu werden begann. Das war für ihn aus der Bahn geratene Forschung: Kaninchen mit mehreren Köpfen und Mäuse mit zusätzlichen Gliedmaßen und doppelten Augenpaaren. Für Dr. Howard waren Veränderungen an Bakterien einerseits und solche Einwirkungen auf Säugetiere andererseits entschieden zwei Paar Stiefel.
Er kehrte in den Hauptraum zurück, wo die beiden Frauen in der Zwischenzeit dabei waren, den Bestand an Wachstumskulturen zu überprüfen.
»Haben Sie die Tiere gesehen?« wandte sich der Arzt voll Abscheu an Shirley Montgomery.
»Ja, leider, als Curran hier war. Erinnern Sie mich lieber nicht daran.«
»Hat denn das GHP derartige Experimente gestattet?« fragte er.
»Nein«, gab sie zurück. »Wir haben Hayes niemals danach gefragt. Wir kamen gar nicht auf die Idee, das tun zu müssen.«
»Die Macht des Ruhms«, warf Howard spöttisch ein.
»Die Tierversuche waren Bestandteil von Dr. Hayes’ Forschungen auf dem Gebiet der Wachstumshormone«, sagte Helene Brennquivist verteidigend.
»Nun ja, wie auch immer«, antwortete der Arzt. Er war im Augenblick nicht an einer Auseinandersetzung über ethische Maßstäbe interessiert. »Jedenfalls sind sie alle tot.«
»Wirklich alle?« fragte Shirley Montgomery. »Das ist merkwürdig. Was ist Ihrer Meinung nach passiert?«
»Gift«, gab Dr. Howard zurück. »Aber was mich beschäftigt, ist die Frage, welches Interesse jemand, der nach Drogen sucht, daran haben kann, Versuchstiere zu töten.«
»Haben Sie irgendeine Erklärung für all das?« wandte sich nun Shirley Montgomery an die jüngere Frau.
Diese schüttelte den Kopf, wobei ihre Augen nervös durch den Raum
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