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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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herum war alles still, keine Musik mehr, kein Grillduft, nichts. Ein kleiner Lichtschein aus dem Hausboot neben uns und aus dem weißen Cottage-Boot gegenüber, das war alles.
    »David, ich . . .«
    »Psst. Guck mal, da!« Seine Stimme klang rau und irgendwie leicht erregt. Er streckte einen weißen Zeigefinger in die Nacht hinaus. Ich folgte ihm mit den Augen. Da drüben am linken Ufer flackerte ein kleines Lagerfeuer neben dem Zelt. Und daneben stand der Typ, immer noch im Taucheranzug, wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Gesichtslos und schwarz. Aber trotzdem hätte ich schwören können, dass er genau zu uns herübersah.
    Davids Stimme klang jetzt ganz nah, sein Atem streifte meinen Hals. »Ich finde«, flüsterte er, »du solltest nicht so viele Fragen stellen und lieber froh darüber sein, dass ihr beiden nicht ganz alleine hier draußen seid.«

8.
    Ich wurde von einem platschenden Geräusch wach. Es kam von draußen. Verschlafen setzte ich mich auf und schob die hässlichen Vorhänge ein Stück zur Seite. Es war schon hell und offenbar auch schon wieder ziemlich warm. Meine Uhr zeigte 9   Uhr an. Viel zu früh, um aufzustehen. Unten auf dem Boden lag David und schlief mit offenem Mund. Noch im Schlaf hielt er sein Handy fest umkrampft   – als ob er sich nicht traute, es aus den Augen zu lassen. Ich überlegte, ob ich ihm das Ding aus dem Fingern klauben und einfach mal nachsehen sollte, was er dauernd für Nachrichten bekommen hatte. Ich kletterte aus dem Bett und beugte mich über ihn. Er schnarchte leise. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach seiner aus. Berührte das Handy und zog leicht daran. Es steckte fest. Verdammter Mist! In diesem Moment schnappte David laut nach Luft und öffnete die Augen zu einem schmalen Schlitz. Ich war mir sicher, dass er nicht richtig wach war, denn ich konnte nur das Weiße seiner Augäpfel sehen, aber trotzdem fuhr ich hastig zurück. Was, wenn er doch aufwachte? Wie um alles in der Welt sollte ich erklären, warum ich mich am frühen Morgen halb nackt überihn beugte und sein Handy klaute? Ich richtete mich auf und knallte dabei mit dem Kopf an den blöden Tisch. Es tat verflucht weh, aber ich biss die Zähne zusammen. Von draußen hörte ich wieder dieses Platschen. Es kam ganz aus der Nähe. Mit einem Ruck öffnete ich die Tür und trat ins Freie. Blitzschnell flatterte eine Ente hoch und flog ein paar Meter weit weg. Sie hatte sich offenbar an den Brotresten bedient, die noch von gestern Abend hier draußen herumlagen. Beleidigt guckte sie mich aus ihren Knopfaugen an, watschelte ein paar Schritte nach links und flatterte auf den See. Dort nahm ich eine Bewegung auf dem Wasser wahr. Jemand schwamm mit kräftigen Zügen auf und ab. Daher das Platschen. War das der schwarze Taucher-Typ von gestern? Ich hielt mich instinktiv an der offenen Tür fest.
    »Licht aus«, brummte David plötzlich von drinnen. Ich schloss sachte die Tür, kniete mich draußen auf unserer Mini-Veranda auf den Holzboden des Bootes und lugte vorsichtig über den Bootsrand. So hatte ich einen wunderbaren Blick auf den Schwimmer, ohne selbst entdeckt zu werden.
    Dachte ich.
    Bis die Person auf einmal bei dem Bootssteg unseres Nachbarbootes anhielt und sich mit einem kräftigen Schwung aus dem Wasser zog. Es war nicht der Taucher. Es war Leon von gestern Abend in einer dunkelblauen Adidas-Badehose! Er drehte sich zu mir um, grinste und rief: »Na?«
    Was machte der denn hier? Ich spürte, dass ich rot anlief. Wie peinlich! Und was musste Leon von mir denken? Dass ich ihn heimlich beim Baden beobachtete? Ich rappelte mich hoch, griff dabei nach einer Schraube, die auf dem Boden lag, und hielt sie halbherzig in die Luft. »Hab's gefunden!«
    Leon lachte. Ihm konnte ich offenbar nichts vormachen. »Willst du nicht ins Wasser?«, rief er. »Jetzt ist die beste Zeit zum Schwimmen, nachher ist wieder alles voller Mücken.«
    »Was machst du denn hier?«, fragte ich perplex. Und wo warst du gestern Abend auf einmal?, setzte ich in Gedanken hinzu.
    »Urlaub.« Er griff nach einem Handtuch, das dort über der Lehne eines Liegestuhles trocknete. »Was dagegen?«
    »Nein, überhaupt nicht«, stammelte ich. Rasch fuhr ich mir durch meine ungekämmten Haare. Mist, garantiert sah ich unmöglich aus. Deshalb also die Bemerkung über uns im Bikini! Er musste uns an den Tagen zuvor schon mal beim Sonnenbaden gesehen haben. Warum hatte er gestern nichts gesagt? War er alleine hier? Oder schlief in seinem

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