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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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Hausboot etwa die grässliche Chantal? Nein, das konnte ich nicht glauben.
    »Na los, rein ins Wasser«, rief er mir zu. »Wozu hast du denn den schönen Bikini?« Er grinste wieder, winkte noch mal kurz in meine Richtung und verschwand dann in seinem Hausboot.
    Ich ging zurück ins Boot. Aus Davids Mund kamen jetzt kleine Pfeiftöne. So leise wie möglich wühlte ich in meinem Rucksack herum und kramte meinen Bikini heraus. Blitzschnell zog ich mich um, schlich lautlos wieder raus und setzte mich erleichtert auf den Bootssteg. Wenn Leon hier einfach so badete, dann konnte es ja in dem Wasser nicht so gefährlich oder dreckig sein. Ganz im Gegenteil. Jetzt, in der Morgensonne, kam mir unser Hausboot am See vor wie der schönste Platz der Welt. Friedlich und still, abgesehen vom gelegentlichen Hämmern eines Spechts und dem Sirren der Libellen. Die Art Sommermorgen, von der ich im letzten Januar geträumt hatte, als ich fröstelnd und müde im Dunkeln morgens an der Haltestelle stand. Wir sollten froh sein, dass wir hier nicht alleine waren? So ein Schwachsinn. Als ob Alex und David, unsere zwei Ritter von der traurigen Gestalt, uns irgendwie beschützen würden. Total lächerlich, jetzt, wo ich wusste, dass Leon gleich nebenan wohnte. Wer brauchte da Alex und David. Ein Glücksgefühl rieselte mir auf einmal durch den Bauch. Vielleicht war der Urlaub doch noch zu retten. Und jetzt wollte ich endlich mal schwimmen. Kurz entschlossen stand ich auf, ging über die rauen Planken, rannte das letzte Stück, holte tief Luft   – und sprang.
    Der Schmerz an meinem Fuß und der Schock des kalten Wassers kamen gleichzeitig. Ich riss meinen Mund vor Schreck auf, schluckte grünliches Seewasser und schoss wie ein Pfeil an die Oberfläche. MeinFuß! Mein Fuß! Er brannte wie Feuer, ein gequältes Japsen kam aus meinem Mund. Salzige heiße Tränen vermischten sich mit dem kalten Wasser auf meinem Gesicht, irgendeine grüne Pflanze baumelte in meinen Haaren. Es tat so verdammt weh, dass ich es kaum aushielt, nicht zu schreien. Ich biss die Zähne zusammen und paddelte mit einer Hand zurück zum Steg, während die andere meinen Fuß fest umklammert hielt und zusammendrückte, um diesen mörderischen Schmerz abzuschalten. Er war vorn, bei den Zehen. Ich hielt mich am Steg fest. »Mellie«, rief ich und schluchzte. Es tat so weh! »Mellie, hilf mir!« Nichts geschah.
    Ich ließ den Fuß los, der gleich noch mehr brannte, und versuchte, mich hochzuziehen. Ich tat mir keinen Zwang mehr an und fluchte laut. Bis zum Bauch war ich draußen, dann schob ich mein rechtes Knie vorsichtig auf den Steg und zog das linke, schmerzende Bein hinterher. Dabei stießen meine Zehen an das splittrige Holz und ich brüllte vor Schmerz.
    Die Tür ging auf, David stand da, die Haare zerstrubbelt, das Gesicht verschlafen.
    »Was ist denn . . . Ach du Scheiße, bist du okay?« Er stürzte auf mich zu. Erst jetzt bemerkte ich die rote Spur neben mir. Und den fehlenden Fußnagel an meiner großen Zehe. Stattdessen klaffte da nur eine blutende Wunde.
    »Mensch, Mensch«, murmelte David. Er kniete sich hin. »Was hast du denn da gemacht?«
    Ich heulte jetzt hemmungslos. Zog mein Knie an und presste meine Daumen auf den Knöchel, um den Schmerz abzuschwächen.
    »Das muss gereinigt und verbunden werden. Ich hab mir mal in der Küche fast die linke Fingerkuppe abgehackt, da . . .«
    »Hör auf!«, kreischte ich. Ich konnte doch kein Blut sehen.
    »Sorry.« Er sah sich hektisch um. »Alex!«, brüllte er dann. »Wach auf!« Im Hausboot rumpelte es laut.
    »Ich hol dir was.« Er sprang auf und lief drauf zu, als die Tür aufschwang und den Blick auf ein verquollenes Gesicht freigab. Alex. David schob ihn einfach zur Seite. »Ist hier irgendwo Verbandszeug?«, hörte ich ihn fragen.
    Ich ruckte immer wieder vor und zurück wie jemand aus der Irrenanstalt. Das machte den Schmerz erträglicher. David kam zurück mit einem Kasten und einer Flasche Wasser, die er über meinen Fuß goss.
    »Au!«
    »Das muss sauber gemacht werden. Oder willst du da irgendwelche Fischeier in der Wunde haben?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Boah, voll krass.« Alex beugte sich interessiert über mich. Er roch muffig.
    »Fass ja nichts an«, zischte ich.
    »Ist ja gut!« Er hob die Hände theatralisch hoch und trat ein Stück nach hinten. Das Feuerzeug klappte, Rauch wehte mir ins Gesicht.
    »Und rauch gefälligst woanders!«
    David griff behutsam nach meinem Bein. »Okay, hier war so ein

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