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Todesblueten

Todesblueten

Titel: Todesblueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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engen Kappe.
    »Hau ab!«
    »Mann, sorry, ich wollte dich nicht erschrecken, also eigentlich schon, aber ich wusste doch nicht . . .«
    »Hau ab! Komm mir ja nicht zu nahe!« Ich sah, wie bei Leon rechts eine Tür aufging, und brüllte noch lauter.
    Der Typ versuchte wieder, mich am Arm anzufassen. »Mensch, ich dachte, du langweilst dich hier alleine.«
    »Lass mich los! Lass mich sofort los!« Ich riss meinen Arm weg und versuchte aufzustehen. Der Taucher zog sich neben mir am Steg hoch, offenbar in der Absicht, sich neben mir niederzulassen. Und dann? Was hatte er dann vor? Mein Fuß tat auf einmal wieder höllisch weh. Ich spürte etwas Warmes, Nasses an meinen Zehen.
    »Wenn du nicht sofort abhaust, rufe ich die Polizei!« Meine Stimme kippte in ein schrilles Kieksen über und ich wusste auch warum. Die Polizei anrufen? Mein Akku war so gut wie leer und in diesem Sumpfloch gab es keinen Strom.
    »Hey, ich will dir doch nichts tun. Jetzt beruhig dich doch mal.«
    »Hau ab!« Ich humpelte ein Stück weg und machte dabei den Fehler, kurz auf den Boden zu sehen. Alles rot. Voller Blut.
    »Okay, okay   – guck, ich komm dir nicht zu nahe.« Er trat einen Schritt zurück und hielt die Hände hoch. Doch schon im nächsten Moment ließ er sie wieder fallen. »Blutest du? Ist das von dir?« Er streckte die Hand aus. »Mensch, jetzt . . .«
    »Was ist denn hier los?« Eine Stimme erklang auf einmal von rechts. Leon, endlich. Er kam auf uns zu.
    Der Junge im Taucheranzug trat wieder einen Schritt auf mich zu. »Ich . . .«
    »Der kam einfach aus dem Wasser«, rief ich dazwischen. »Hat mich total erschreckt und jetzt lässt er mich nicht in Ruhe und . . .«
    »Nimm die Pfoten weg!«, brüllte Leon. »Sonst kriegst du's mit mir zu tun.«
    »Okay, okay. Ist ja gut, Mann.« Der Junge wirkte jetzt nervös.
    »Hat er dir was getan? Dich angefasst?« Leon sprang leichtfüßig auf unseren Steg. »Hilflosen MädchenAngst einjagen ist wohl dein Hobby, du kleiner Scheißer, hm?« Er ging mit drohender Miene auf den Taucher los.
    »Mann, ich hab doch nur Spaß gemacht, also sorry, das . . . das Blut war ich nicht, ich . . . ach Mann, vergiss es!« Der Junge machte plötzlich einen Satz nach hinten und sprang ins Wasser.
    Wir starrten beide auf den Kreis, der sich auf der Wasseroberfläche bildete.
    »Na los, komm raus, du Schisser!«, rief Leon. Das Wasser blieb still.
    »Der kann ganz lange tauchen«, sagte ich. »Den haben wir gestern schon gesehen. Ich glaube, der ist verrückt oder so.« Ich merkte, dass ich Gänsehaut hatte, trotz der Hitze. Beim Anblick der weißen Hand hatte ich im ersten Moment gedacht, dass die nächste Wasserleiche angeschwommen kam.
    Ich zitterte.
    »Ja klar ist der verrückt«, sagte Leon, ohne den Blick vom Wasser abzuwenden. »Wer macht denn sonst so was?« Er kniff ein Auge zu. »Da!«
    Der Junge war in der Mitte des Sees wieder aufgetaucht.
    »Ich warne dich«, brüllte Leon. »Lass dich ja nicht noch mal hier drüben sehen!«
    Der Junge antwortete etwas. Es klang wie »Idiot«.
    »Verpiss dich!«
    Der Kopf des Jungen verschwand wieder unter Wasser und Leon drehte sich zu mir. Er machte einenecht wütenden Eindruck. Erst jetzt schien er mich richtig wahrzunehmen.
    »Mensch, du bist ja völlig fertig. Und du blutest ja. Hat der dich irgendwie . . .?«
    »Nee, das ist heute früh passiert«, sagte ich schnell. »Ich hab mir den Zehennagel am Steg abgerissen.«
    »Autsch.« Er verzog das Gesicht. »Ich hab mitgekriegt, dass heute Morgen bei euch irgendwie Tumult war.« Er kniete sich hin und betrachtete meinen Fuß. Davids Verband hatte sich fast gelöst und schleifte in blutgetränkten Bändern auf dem Boden. Ich sah aus wie jemand aus dem Ersten Weltkrieg.
    »Das musst du neu verbinden. Wo sind denn deine Freunde?«
    »In die Stadt gepaddelt. Aber ich glaube, wir haben noch so einen Kasten mit Pflastern drinnen.« Ich machte Anstalten, zurück ins Hausboot zu humpeln.
    »Bleib bloß sitzen. Wenn ihr nur so lappige Pflaster habt, nützt das eh nicht viel. Ich hab was Besseres, bin gleich wieder da. Und wenn der zurückkommt, fängst du ganz laut an zu schreien, verstanden?«
    Ich nickte. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass der Typ zurückkommen würde, solange ich hier einen Beschützer hatte.
    Völlig benommen saß ich in der Sonne. Das war eben alles so schnell gegangen. Was, wenn Leonnicht da gewesen wäre? Was, wenn mich der Junge ins Wasser gezerrt hätte? Ich wagte den Gedanken gar

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