Todesbote
Levon.
Barbara begann aus voller Kehle zu schreien, ein wortloser Schrei, bis Henri sich hinabbeugte und ihr das Messer an die Kehle hielt. »Barbara, Barbara. Hören Sie auf zu schreien. Niemand kann Sie hier hören auÃer mir und Levon, also hören Sie auf mit diesem Theater, ja? Ich mag das nicht.«
Barbaras Schrei verebbte zu einem Keuchen, bis sie nur noch weinte.
»Was, zum Teufel, treiben Sie da, Hogan?«, wollte Levon wissen und wand sich, um das Gesicht seines Entführers sehen zu können. »Mit mir kann man reden. Also reden Sie!«
Henri legte zwei Finger unter seine Nase, als striche er über einen Schnurrbart. »Sicher, Mr. McDaniels«, antwortete er mit tieferer, vollerer Stimme. »Sie haben bei mir oberste Priorität.«
»Gütiger Himmel, Sie sind Marco? Das glaube ich nicht. Wie konnten Sie uns nur eine solche Angst einjagen? Was wollen Sie?«
»Ich möchte, dass Sie sich benehmen, Levon. Sie auch, Barbara. Wenn Sie verrückt spielen, muss ich entsprechende MaÃnahmen ergreifen. Wenn Sie brav sind, werde ich Sie in die erste Klasse setzen. Abgemacht?«
Henri schnitt die Nylonschnüre um Barbaras Beine durch, half ihr aus dem Wagen und führte sie zum Rücksitz. AnschlieÃend holte er Levon, setzte ihn neben seine Frau und schnallte beide mit dem Sicherheitsgurt fest.
Als er sich wieder auf den Fahrersitz setzte, verriegelte er die Türen und schaltete zuerst die Innenbeleuchtung, dann die Kamera hinter dem Rückspiegel ein.
»Wenn Sie möchten, können Sie mich Henri nennen«, sagte er zu den McDaniels, die ihn anstarrten. Er griff in die Tasche seiner Windjacke, zog eine zierliche Armbanduhr heraus und hielt sie ihnen vors Gesicht.
»Sehen Sie? Wie versprochen. Kims Uhr. Die Rolex. Erkennen Sie sie?«
Er steckte sie in Levons Jackentasche.
»Jetzt würde ich Ihnen gern erzählen, wie es weitergeht«, fuhr Henri fort. »Und warum ich Sie töten muss. Es sei denn, Sie haben an diesem Punkt bereits Fragen.«
52
Als ich an diesem Morgen aufwachte und mir die örtlichen Nachrichten im Fernseher ansah, wurde überall von Julia Winkler berichtet. Unter dem Bild mit ihrem schmerzhaft schönen Gesicht lief in fetten Buchstaben die Textzeile: Supermodel tot aufgefunden.
Wie konnte Julia Winkler tot sein?
Mit Gänsehaut richtete ich mich im Bett auf, um auf das nächste Bild zu starren, auf dem Kim und Julia gemeinsam für die Sporting-Life- Geschichte posierten. Sie hielten ihre hübschen Gesichter aneinander, lachten, sprühten vor Lebenslust.
Die Sprecher wiederholten die Geschichte »für diejenigen, die gerade erst zugeschaltet haben«.
Ich schaute auf den Fernseher, versuchte, die überraschenden Einzelheiten zu begreifen. Julia Winklers Leiche war in einem Zimmer des Island Breezes Hotels gefunden worden, einem Fünf-Sterne-Resort auf Lanai. Ein Zimmermädchen war durch den Flur gerannt und hatte gerufen, eine Frau sei erwürgt worden, sie habe blaue Flecken am Hals, und das Bett sei voller Blut.
Als Nächstes wurde eine Kellnerin interviewt. Emma Laurent. Sie hatte am Abend zuvor die Tische im Club Room bedient und Julia Winkler wiedererkannt. Julia hatte mit einem gut aussehenden Mann Mitte dreiÃig zu Abend gegessen, erzählte sie. Ein weiÃer Mann mit braunem Haar und guter Figur. »Mit Sicherheit geht er ins Sportstudio.«
Der Mann habe Julia Winklers Rechnung über sein Zimmer
bezahlt, das er auf den Namen Charles Rollins gemietet habe. Rollins sei mit dem Trinkgeld groÃzügig gewesen, und Julia habe der Kellnerin ein Autogramm gegeben. »Für Emma von Julia«, stand auf der Serviette, die Emma Laurent in die Kamera hielt.
Ich nahm einen Ananas-Orangen-Guavensaft aus dem Kühlschrank, während im Fernseher der Bereich vor dem Island Breezes Hotel gezeigt wurde. Ãberall standen Polizeifahrzeuge herum, im Hintergrund quakten Funkgeräte, vor der Kamera stand ein Reporter des Regionalsenders des NBC.
Kevin de Martine war ein angesehener Reporter, der 2004 aus dem Irak berichtet hatte. Jetzt stand er mit dem Rücken zu einer Absperrung, leichter Regen benetzte seinen Bart, hinter ihm schwankten Palmenwedel heftig im Wind.
»Bisher wissen wir Folgendes«, begann de Martine. »Das neunzehnjährige Supermodel Julia Winkler, ehemalige Zimmergenossin des noch immer vermissten Models Kimberley McDaniels, wurde am Morgen tot
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