Todesbraeute
passiert, als kein roter Stift mehr da war?«
»Sie hat geweint, aber kein Wort gesagt.« Alex schauderte. »Ich habe schon unzählige Kinder in der Notaufnahme weinen sehen, vor Schmerzen, aus Angst ... aber niemals so. Sie kam mir vor wie ... wie ein Roboter. Kein Gefühl, kein einziger Laut. Kein Wort. Und dann war es plötzlich, als würde sie in eine Art katatonische Starre fallen. Ich habe derartige Angst bekommen, dass ich sie zum Arzt brachte. Aber Dr. Granville meinte, sie stünde nur unter Schock.«
»Hat er irgendwelche Tests mit ihr gemacht?«
»Nein. Die Sozialarbeiterin hatte sie am Freitag bereits vorsichtshalber ins Krankenhaus gebracht. Dort hat man eine toxikologische Analyse durchgeführt. Offenbar ist sie gegen die üblichen Kinderkrankheiten geimpft worden, und man hat nichts Auffälliges gefunden.«
»Wer ist ihr Hausarzt?«
»Keine Ahnung. Dr. Granville meinte, er habe weder Bailey noch Hope je in >beruflicher Hinsicht< gesehen. Aber er war überrascht über ihren gepflegten Zustand. Jedenfalls wollte er ihr eine Spritze geben. Ein Beruhigungsmittel.« Meredith sah sie aufmerksam an. »Und? Hat er?« »Nein. Er war ziemlich sauer, als ich sagte, dass ich das nicht will. Warum ich sie denn überhaupt hergebracht hätte, wenn er nichts tun dürfe? Aber mir gefiel der Gedanke nicht, sie ruhigzustellen, wenn es doch eigentlich nicht nötig ist. Sie ist nicht aggressiv gewesen, und es bestand in meinen Augen auch keine Gefahr, dass sie sich selbst verletzt.«
»Gut gemacht. Ich bin deiner Meinung. Hope hat also die ganze Zeit noch kein einziges Wort gesagt? Kann sie denn reden?«
»Im Kindergarten sagt man, sie sei normalerweise sehr gesprächig und hätte bereits einen großen Wortschatz. Sie kann sogar schon lesen.«
Meredith stieß einen Pfiff aus. »Wow. Wie alt ist sie? Vier?«
»Knapp. Laut Kindergärtnerin hat Bailey ihr jeden Abend vorgelesen. Meredith, für mich klingt das alles nicht nach einer drogensüchtigen Mutter, die ihr Kind sitzenlässt.«
»Du glaubst auch an ein Verbrechen.«
Irgendetwas in Merediths Tonfall gefiel Alex nicht. »Du nicht?«
»Ich weiß nicht«, antwortete ihre Cousine ungerührt. »Mir ist klar, dass du im Zweifel eher für Bailey sprichst, aber hier geht es jetzt vor allem um Hope und um das, was für sie am besten ist. Willst du sie nach Hause mitnehmen? Zu dir nach Hause, meine ich?«
Alex dachte an ihre kleine Wohnung, in der sie nur schlief. Richard hatte das Haus behalten, Alex hatte es nicht haben wollen. Aber ihre Wohnung reichte durchaus für einen Erwachsenen und ein kleines Kind. »Das habe ich vor, ja. Aber, Meredith, wenn Bailey etwas passiert ist ... ich meine, falls sie sich doch zum Positiven verändert hat und nun aus einem anderen Grund in Schwierigkeiten steckt ...« »Also - was hast du vor?«
»Ich weiß es noch nicht. Aber telefonisch konnte ich bei der Polizei nichts erreichen, und ich wollte Hope nicht allein lassen, um persönlich hinzugehen. Könntest du ein paar Tage bei mir bleiben und mir mit Hope helfen?« »Bevor ich geflogen bin, habe ich alle Termine mit den Patienten, die mich am dringendsten brauchen, auf Mittwoch verschoben. Ich muss also Dienstagabend zurückfliegen. Mehr geht nicht.«
»Das würde schon helfen. Dank dir.«
Meredith drückte ihre Hand. »Und jetzt sieh zu, dass du ein bisschen schläfst. Ich lege mich hier aufs Sofa. Wenn du mich brauchst, weck mich.«
»Ich hoffe bloß, dass Hope durchschläft. Bisher waren es immer nur zwei, drei Stunden am Stück, dann wacht sie wieder auf und malt. Ich sag dir Bescheid, wenn es nötig ist.«
»Auch das. Aber ich habe eben von dir gesprochen, nicht von Hope. So, ab ins Bett.«
2. Kapitel
Atlanta, Sonntag, 28. Januar, 22.45 Uhr
»Daniel, ich glaube, dein Hund ist tot.« Die Stimme kam aus Daniels Wohnzimmer und gehörte seinem Kollegen, Luke Papadopoulos, ebenfalls Ermittler beim GBI Luke war außerdem das, was einem besten Freund wohl am nächsten kam, obwohl er der Grund war, warum Daniel überhaupt einen Hund hatte. Daniel stellte den letzten Teller in die Spülmaschine und trat dann in den Türrahmen der Küche. Luke saß auf der Couch und sah ESPN. Der Basset Riley lag zu Lukes Füßen und sah aus wie immer. Wodurch er, wie Daniel zugeben musste, tatsächlich den Anschein erweckte, bereits im Hundehimmel zu sein. »Biete ihm dein Kotelett an. Dann regt er sich schon.«
Riley öffnete bei der Erwähnung des Koteletts ein Auge, schloss es
Weitere Kostenlose Bücher