Todesbraeute
dreizehn davon gesehen hatte, war es nicht schwer, sich vorzustellen, wie Alicia ausgesehen haben musste. Sie dachte an das erste Mal, als sie Daniel in seinem Büro begegnet war. An den schockierten Ausdruck in seinem Gesicht.
Und dann dachte sie daran, wie er sie heute Abend angesehen hatte, kurz bevor er sie geküsst hatte. Und im Wagen, nachdem man sie beinahe überfahren hatte. Was willst du von mir?, hatte sie gefragt. Nichts, was du nicht selbst und... nur allzu gerne geben willst.
Sie hatte ihm vorhin geglaubt. Sie war sich nicht sicher, ob sie das jetzt noch tat.
Er fühlte sich schuldig. Und sein Schuldgefühl schien ihn von innen heraus zu verzehren. Daniel Vartanian wollte Buße.
Alex wollte nicht die Buße eines anderen sein. Sie dachte nicht daran, ein karitatives Projekt zu werden. Das hatte sie bereits mit Richard durchgespielt. Und daraus war die kläglichste Niederlage ihres Lebens geworden. Das brauchte sie kein zweites Mal.
Sie spürte sofort, dass Daniel erwacht war. Er schlug die Augen auf, und als er seinen strahlend blauen Blick auf sie richtete, schauderte sie.
Einen Moment lang sah er sie nur an, dann streckte er die Hand nach ihr aus.
Und sie begriff, dass es keine Rolle spielte, was sie wollte und was nicht. Wichtig war, was sie brauchte, und in diesem Augenblick brauchte sie ihn. Er setzte sich aufrecht hin und zog sie auf seinen Schoß. Und sie ließ sich willig ziehen und schmiegte sich an seinen warmen Körper. »Deine Hände sind eiskalt«, murmelte er und nahm beide in seine Hände.
Sie legte ihre Wange an seine harte Brust. »Riley klaut mir die Decke.«
»Deswegen darf er bei mir zu Hause nicht im Bett schlafen.«
Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. »Und wer darf das?«
Er versuchte nicht einmal, der Frage mit einem Scherz auszuweichen. »Niemand. Seit langer Zeit jedenfalls nicht. Warum?«
Sie dachte an Richards neue Frau. »Ich will einfach wissen, ob ich Nummer eins oder Nummer zwei wäre.« Sie hatte gedacht, dass sie daraufhin sein typisches, angedeutetes Lächeln sehen würde, aber er blieb ernst. »Nummer eins.« Er strich ihr mit dem Daumen über die Wange, und ein Prickeln breitete sich in ihrem Inneren aus. »Du warst schon einmal verheiratet, nicht wahr?« »Ja, und ich bin geschieden.«
»Warst du die Nummer zwei?«, fragte er sehr ruhig.
»Oh, wow, das kann man wohl sagen«, versuchte sie das Gespräch aufzulockern.
Aber er lächelte noch immer nicht. »Hast du ihn geliebt?« »Ich dachte es. Aber ich glaube, ich wollte nur nicht nachts allein schlafen.«
»Also war er für dich da.« Sein Blick wurde seltsam eindringlich. »In den Nächten.«
»Nein. Anfangs war er Praktikant in dem Krankenhaus, in dem ich arbeitete. Wir verabredeten uns ein paarmal. Dann zog meine Mitbewohnerin aus, und bevor ich mich versah, war er eingezogen. Wir sahen uns im Krankenhaus, konnten aber unsere Schichten nicht besonders gut aufeinander abstimmen. Er war nicht oft zu Hause.« »Du hast ihn trotzdem geheiratet.«
»Ja.« Irgendwie war das eine ganz logische Entwicklung gewesen. Undramatisch. Sie konnte sich nicht erinnern, dass Richard ihr tatsächlich einen Antrag gemacht hatte. »Hast du ihn geliebt?«
Zum zweiten Mal hatte er die Frage gestellt. »Nein. Ich wollte es. Aber es ging wohl nicht.« »Hat er dich gut behandelt?«
Nun lächelte sie. »Ja. Richard ist... lieb. Er mag Kinder, er mag Hunde ...« Sie brach ab, als sie merkte, in welche Richtung sich ihre Worte bewegten. »Aber ich glaube, er hat mich als eine Art Herausforderung betrachtet. Seine eigene kleine Eliza Doolittle.«
Er runzelte die Stirn. »Wieso? Warum sollte er denn etwas an dir ändern wollen?«
Einen Moment lang starrte sie ihn nur an. Seine Worte waren Balsam für ihre Seele und linderten das nagende Gefühl, dass sie für Richard nie hatte sein können, was er gebraucht hatte. Oder was sie sich für sie beide vorgestellt hatte. »Eigentlich war ich selbst schuld. Ich wollte ... interessant sein. Dynamisch. Zügellos.« Er zog die Brauen hoch. »Zügellos?« Sie lachte verlegen. »Na ja. Du weißt schon.« Sie wackelte mit den Brauen, und er nickte, lächelte jedoch noch immer nicht.
»Du wolltest, dass er zu dir nach Hause kam.« »Wahrscheinlich. Aber ich war einfach nicht, wie er mich am liebsten gehabt hätte. Wie ich mich am liebsten gehabt hätte.«
»Also ist er gegangen?«
»Nein. Ich. Krankenhäuser sind wie Dörfer. Unter der Oberfläche lauern viele Geheimnisse.
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