Todesbraeute
herumlaufen? Warum habt ihr ihn noch nicht einmal zum Verhör vorgeladen?« »Alex ...«, begann Daniel, aber sie schüttelte den Kopf. »Und Mansfield ... ein Cop. Mit Marke und Dienstwaffe. Jetzt muss doch alles, was er getan hat, verdächtig sein. Ich meine, er hat den Typ erschossen, der versucht hat, mich zu überfahren, nachdem der Sheila Cunningham getötet hat. Reicht das nicht als Beweis? Was muss man denn in diesem verdammten Staat anstellen, um verhaftet zu werden?«
»Alex«, wiederholte Daniel scharf, dann seufzte er. »Zeig's ihr einfach, Ed.«
Ed zog eine Kiste hervor und fischte eine silberne Flöte heraus. Alex fiel die Kinnlade herab. »Ihr habt die Flöte gefunden, auf der Bailey gespielt hat?« Ed nickte. »Wir sind mit Metalldetektoren in den Wald hinter dem Haus gegangen und haben sie dort hinter einem Baumstamm gefunden. Sie war dort ein, zwei Zentimeter tief in der Erde eingegraben.«
»Dort, wo Hope versteckt war.« Sie sah die Anwesenden nacheinander zornig an. »Während diese Kerle auf Bailey eingeschlagen haben, bis ihr Blut den Waldboden durchweicht hat!«
»Alex«, fuhr Daniel sie an. »Wenn du dich nicht zusammennehmen kannst, musst du gehen.« Sie klappte den Mund zu, immer noch wütend, aber nun auch peinlich berührt. Chase sprach mit ihr wie mit einer Vierjährigen, aber Daniel behandelte sie wie eine. Nun, vielleicht hatte er gar nicht so unrecht. Sie befand sich am Rand der Hysterie. »Okay, tut mir leid«, sagte sie kühl. »Ich nehme mich zusammen.«
Daniel seufzte wieder. »Alex, bitte. Es geht gar nicht um die Flöte.«
Ed hielt ihr ein Paar Latexhandschuhe hin, und gehorsam streifte Alex sie über. Dann riss sie die Augen auf, als er ihr ein Stück Papier reichte, das wie ein Fächer mehrfach in der Länge gefaltet worden war.
»Ed hat das hier in der Flöte gefunden«, sagte Daniel. »Ein Brief von Wade an Bailey.« Er zog ihr einen Stuhl unter dem Tisch hervor, und sie ließ sich daraufsinken, während sie laut vorlas.
»Liebe Bailey,
nachdem ich es so lange probiert habe, ist es mir endlich gelungen. Ich bin verwundet und werde sterben. Keine Sorge, ein Kaplan ist bei mir, und er wird mir die Beichte abnehmen. Allerdings glaube ich nicht, dass Gott mir vergibt. Ich habe mir ja nicht einmal selbst vergeben.
Vor Jahren hast du mich gefragt, ob ich Alicia getötet habe. Meine Antwort lautete nein, und das tut sie noch immer. Aber ich habe andere Dinge getan, und Vater auch. Ich denke, einiges davon ahnst du. Anderes nicht, und das ist auch gut so.
Ich war nicht allein. Die anderen wollen natürlich nicht, dass es herauskommt. Zuerst waren wir sieben, dann sechs, dann fünf. Wenn ich sterbe, bleiben also immer noch vier übrig, die das Geheimnis teilen. Sie leben in ständiger Angst und beobachten sich gegenseitig misstrauisch, müssen sich stets fragen, wer als Erster zusammenbricht. Wer als Erster den Mund aufmacht.
Ich schicke dir einen Schlüssel. Trag ihn unter keinen Umständen bei dir. Verstecke ihn, wo er sicher ist. Falls man dich je bedroht, sagst du, du würdest den Schlüssel den Behörden übergeben. Aber nicht der Polizei, wenigstens nicht der in Dutton. Der Schlüssel enthüllt ein Geheimnis, das sie alle unbedingt bewahren wollen. Einige würden dafür viel Geld zahlen, die anderen morden. Zwei wurden deswegen bereits ermordet.
Ich werde dir die Namen der vier nicht nennen, denn dann würdest du dich gezwungen sehen, sie anzuzeigen. Falls du das tust, bist du so tot wie ich, deswegen ist der Schlüssel deine Lebensversicherung. Ich weiß, dass du noch in unserem alten Haus wohnst, weil du hoffst, dass Dad zurückkommt. Aber das wird er nicht.
Dad ist kein guter Mensch, auch wenn du es dir immer sehnlichst gewünscht hast. Falls du ihn triffst, gib ihm den Brief. Falls nicht, verbrenne ihn. Und lass Dad los. Überlasse es ihm, sich mit Drogen und Alkohol selbst umzubringen, aber erlaube ihm nicht, dich mitzuziehen. Verlasse das Haus. Verlasse Dutton. Und trau um Gottes willen niemandem.
Vor allem mir nicht. Ich habe dein Vertrauen nicht verdient, obwohl Gott weiß, dass ich nun, da ich im Sterben liege, alles versuche, mich deiner würdig zu erweisen.
Nimm Hope, verlasse Dutton und schau nicht zurück. Versprich mir das. Und versprich mir, dass du dir ein gutes Leben aufbaust. Such Alex. Sie ist die Einzige, die von deiner Familie übrig geblieben ist. Ich habe es dir nie gesagt, aber ich liebe dich.«
Alex zog bebend die Luft ein.
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