Todescode
überprüfte den Raum – er sah in den Schrank, das Bad, unter das Bett –, und Alex musste sich eingestehen, dass Bens kurzes Zögern wahrscheinlich nur einen taktischen Zweck gehabt hatte: Alex zuerst ins offene Messer laufen zu lassen, falls Gefahr drohte. Und ehe Alex Gelegenheit hatte, zu verarbeiten, was das bedeuten könnte, war Ben wieder ganz der Alte. Er ließ sich in den schicken Polstersessel mit Blick auf den Highway 101 fallen, als wäre Alex der Besucher, und sagte: »Also. Sonst noch irgendwelche Vorfälle?«
Alex schluckte seine Verwirrung und Verärgerung runter und rückte den Schreibtischstuhl so zurecht, dass sie einander gegenübersaßen. »Nein.«
»Wie fühlst du dich?«
»Wie meinst du das?«
Ben zuckte die Achseln. »Jemand dringt mitten in der Nacht ins Haus ein … auch wenn es ein normaler Einbrecher war, das ist beunruhigend.«
»Stimmt, ich bin beunruhigt.«
Es trat einen Moment lang Stille ein. Dann sagte Ben: »Das war ganz schön geistesgegenwärtig von dir, wie du die Waffe improvisiert hast.«
Alex nickte und sah ihn weiter an.
»Morgen möchte ich mir das Haus anschauen und dein Büro. Jetzt –«
»Du hast doch gesagt, ich soll alle Orte meiden, an denen ich mich normalerweise aufhalte.«
»Richtig. Aber morgen bin ich dabei, das ist was anderes. Jetzt möchte ich von dir mehr über die Software hören. Obsidian heißt sie, nicht?«
Alex erzählte es ihm. Als er fertig war, sagte Ben: »Aber wieso geht jemand nicht einfach hin und kauft sie? Warum bringt er den Erfinder, den Patentprüfer und beinahe auch den Anwalt um, der das Patent angemeldet hat?«
»Vielleicht weil keiner wissen soll, dass es Obsidian überhaupt gibt?«
Ben gähnte. »Könnte gut sein, nach all dem, was du mir erzählt hast.«
»Trotzdem kapier ich das nicht. Es geht schließlich nur um einen Sicherheitscode. Eine bessere Möglichkeit, Netzwerke zu schützen. Das ist so, als wollte jemand den Erfinder von einem besseren Türschloss oder so umlegen.«
»Und, wer hat was gegen bessere Türschlösser?«
Alex überlegte einen Moment, sagte dann: »Einbrecher.«
»Genau. Vielleicht hast du’s mit jemandem zu tun, der derzeit noch prima in Häuser einbrechen kann. Der will keine besseren Schlösser. Oder er will der einzige Hausbesitzer sein, der so ein gutes Schloss hat, damit nur die anderen Probleme mit Einbrechern haben. Oder vielleicht gibt es eine Verwendung, von der du nichts weißt, irgendwas, das ein anderer entdeckt hat.«
»Du glaubst also, es könnte wirklich was an der Sache dran sein?«
Ben ließ den Kopf kreisen, dass die Halsgelenke knackten. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Der Erfinder hat anscheinend mit Heroin gedealt. Das ist ein extrem riskantes Metier. Der Patentprüfer hatte einen Herzinfarkt –«
»Ja, aber könnte so was nicht vorgetäuscht werden? Ich meine, dass jemand ihn umgebracht hat, aber so, dass es wie ein Herzinfarkt aussieht?«
»So was gibt’s eigentlich nur im Kino, nicht im wahren Leben. Angeblich gab’s mal einen Typen, Japaner oder Halbjapaner oder so, der auf so was spezialisiert war, aber das halte ich für ein Märchen. Außerdem soll er sich inzwischen zur Ruhe gesetzt haben.«
»Und wenn nicht? Nur mal als Gedankenspiel. Sagen wir, der Patentprüfer wurde umgebracht. Sagen wir, der Typ, der ins Haus eingebrochen ist, wollte mich auch umbringen.«
»Okay, nur mal als Gedankenspiel. Der Patentfuzzi wurde umgebracht. Aber der Typ, der ins Haus eingebrochen ist, wollte dich nicht umbringen.«
»Wie meinst du das? Warum sollte er sonst –«
»Da fallen mir etliche Gründe ein, aber dich umzubringen ist keiner davon, zumindest nicht zu dem Zeitpunkt.«
»Das versteh ich nicht.«
»Alex, er weiß, wo du wohnst. Wenn er weiß, wo du wohnst, weiß er auch, wo du arbeitest. Du fährst morgens früh ins Büro, richtig?«
»Wie kommst du darauf?«
»Auch wenn ich nicht dein Bruder wäre, wüsste ich, dass du einer von der Sorte bist, die sehr früh zur Arbeit gehen. Der Parkplatz ist doch bestimmt noch fast leer, wenn du kommst, oder?«
»In der Regel ja.«
»Na, bitte. Er müsste dir nur auf dem verlassenen Parkplatz auflauern, ein Schuss in den Kopf, und weg ist er.«
»Großer Gott.«
»So ein leichtes Ziel wie du … wenn
dich
jemand umlegen wollte, hätte er das inzwischen schon x-mal problemlos erledigen können. Deshalb extra in dein Haus einzubrechen wäre unnötig riskant und kompliziert.«
»Wieso dann der Einbruch?«
Ben
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