Todescode
es abtaxieren, und nach dem, was Alex bei nononsenseselfdefense.com gelesen hatte, begriff er, dass Ben die Umgebung taktisch auswertete. Es gab also tatsächlich Leute, die so etwas machten. Bis zu dem Augenblick hatte Alex das alles für Spielerei gehalten.
Ben richtete die Augen auf Alex und musterte ihn von oben bis unten. »Wie geht’s dir, Alex?«
Alex wollte eine Hand ausstrecken, tat es aber nicht. »Ganz gut. Und dir?«
Ben nickte. »Du hast mit dem Rücken zur Wand gesessen. Hast du dir die Webseite angesehen?«
»Woher wusstest du, wo ich bin?«
»Ich hab doch gesagt, ich finde dich.«
»Wie?«
Ben sah sich um. »Wie viele gute Hotels gibt es in Palo Alto und Menlo Park? Drei? Und das hier ist das neueste und beste. Hier hab ich zuerst angerufen. Du hast unter deinem Namen eingecheckt. Gegen meinen Rat.«
»Ich hatte vorher schon hier eingecheckt –«
»Dein Wagen steht auf dem Hotelparkplatz.«
»Und?«
»Du hättest den Wagen beim Parkservice vom Hotel abgeben sollen, fürs Parkhaus. Wer an dich rankommen will, braucht dir nur in der Nähe deines Wagens aufzulauern.«
»Woher weißt du überhaupt, welcher mein Wagen ist?«
»Dazu genügt eine Zugangsmöglichkeit zur Datenbank des Straßenverkehrsamtes. Aber nicht mal das wäre nötig. Wer immer die sind, mit denen du derzeit ein Problem hast, sie könnten sich längst dein Kennzeichen notiert haben und bräuchten jetzt bloß den Parkplatz abzusuchen …
zack
. Hübscher kleiner M3 übrigens.«
So, wie Ben das sagte, klang das alles äußerst naheliegend. Aber woher sollte er so was wissen? Dafür hatte Ben bestimmt keine Ahnung von Prioritätsrechten bei Patentanmeldungen und C++-Programmierung oder zig anderen Dingen. Er würde ihn gern auch mal so dumm dastehen lassen.
»Und noch was«, sagte Ben. »Du parkst weit hinten am Rand. Da ist es ziemlich leer. Wie leicht willst du es den bösen Jungs denn noch machen? Du hättest wenigstens weiter vorn parken können, in der Nähe von dem Bürokomplex, wo mehr los ist.«
»Der Parkplatz war so gut wie voll, als ich kam«, sagte Alex, dem die Belehrungen langsam auf die Nerven gingen. »Von vorn bis hinten. Das war tagsüber, während der Arbeitszeit. Abends ist er sicher leerer.«
Jetzt erzählt er mir gleich, dass ich das hätte bedenken müssen,
dachte Alex. Doch stattdessen sagte Ben: »Ich könnte einen Bissen vertragen. Was dagegen, wenn wir die Plätze tauschen?«
Alex stand auf und überließ Ben seinen Stuhl. Ben nahm Alex’ halbleeren Teller und stellte ihn vor seinen Bruder auf den Tisch. Alex sagte: »Willst du die Speisekarte?«
»Nicht nötig, ich nehme das Gleiche wie du.«
Ein Kellner kam vorbei. Alex sagte: »Noch einmal die Waldpilzravioli mit Taleggio. Und noch ein Glas Sophie’s Rows.«
»Nein, keinen Wein«, sagte Ben.
»Sehr gern«, sagte der Kellner und entfernte sich.
»Magst du keinen Wein?«, fragte Alex.
»Nicht besonders, nein. Erst recht nicht nach einer langen Reise.«
»Wo kommst du her?«
»Europa.«
»Du weißt doch hoffentlich, dass Europa ein Kontinent ist, oder?«, sagte Alex mit sarkastischem Unterton.
Ben sah ihn an und schwieg, und Alex verspürte eine Welle der Genugtuung.
»Ich meine, du hättest genauso gut sagen können: ›Ich komme von irgendwo her.‹«
Ben sah ihn noch immer an. »Wenn ich will, dass du mehr erfährst«, sagte er, »merkst du das schon.«
»Da kann ich wahrscheinlich lange warten.«
»Das ist der klügste Satz, den du bisher von dir gegeben hast.«
Alex wandte sich ab. Er war stocksauer. Auf Ben, weil er sich wie ein Arschloch aufführte. Und noch mehr auf sich selbst, weil er ihn überhaupt um Hilfe gebeten hatte. Mein Gott, war er wirklich so verzweifelt?
Leider ja.
Nach dem Essen gingen sie auf Alex’ Zimmer. Alex fiel auf, dass Ben sich auf eine bestimmte Art bewegte, langsam, als würde er sich einfach Zeit lassen, wobei er den Kopf unaufhörlich nach rechts und links wandte. Und er ließ immer einen großen Spielraum, wenn er um die Ecke bog, als wollte er mehr Zeit und Platz haben, bis er sah, was dahinter war. Das alles war in keiner Weise auffällig, im Gegenteil, und Alex wurde klar, dass er es gar nicht bemerkt hätte, wenn Ben ihm nicht geraten hätte, sich auf der Webseite zu informieren.
Alex schloss die Tür auf und ging als Erster hinein. Ben blieb stehen, und einen Moment lang war Alex leicht irritiert von der höflichen Zurückhaltung seines Bruders. Doch dann kam er herein und
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