Todesdrang: Thriller (German Edition)
um nicht noch unnötig Öl ins Feuer zu gießen. Die Sache setzte ihr ohnehin schon genug zu, und eine bedrückende Stimmung umfing seine Familie. Daher tauchte Dirk wieder einmal in seinen eigenen kleinen Kosmos ab. Seine Gedanken kreisten um die Ereignisse des Tages, doch er tat sich schwer damit, die Daten zu analysieren und in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Er saß vor seinem Computer und studierte die Ergebnisse seiner Suchanfrage. Er wollte mehr über Christian Kuhn in Erfahrung bringen, seinen Gegner besser kennenlernen. Doch jener Christian Kuhn, der offensichtlich im Begriff war, sein Leben zu zerstören, war weder Mitglied seiner virtuellen Community noch irgendeines anderen sozialen Netzwerks. Selbst die ausführliche Recherche über eine Suchmaschine half Dirk nicht weiter: Online schien Kuhn überhaupt nicht zu existieren.
Erneut begann Dirk an sich zu zweifeln. Was, wenn sein angegriffener Verstand ihm nur einen Streich gespielt hatte, wenn diese Baseballkappe nur in seiner Wahrnehmung existiert hatte? Seine Wut war so sehr auf Kuhn fixiert, dass er sie womöglich auch visuell auf ihn projiziert hatte.
Dirk schloss die Augen und versetzte sich im Geiste noch einmal an den Ort ihrer kurzen Begegnung. Er versuchte, einzelne Details zu fixieren. Es war kein einzelnes Bild, mehr ein Film, der noch einmal vor seinen Augen ablief. Deutlich sah er Kuhns blaue Kopfbedeckung mit der weißen Aufschrift. ICU . Nein, das hatte er sich nicht eingebildet. Kuhn musste sich der Kappe auf dem Weg zur Bank entledigt haben.
Dirk öffnete die Augen und gab die Buchstaben ICU in eine Suchmaschine ein. Die Abkürzung konnte für vieles stehen: im Online-Slang für I See You ,für Intensive Care Unit , die Intensivstation,oder auch, wie er auf einer englischsprachigen Seite erfuhr, für International Components for Unicode . Letzteres bezeichnete ein Projekt für die Entwicklung eines Programmiercodes, der auf der Basis gängiger Programmiersprachen eine einheitliche Darstellung aller Zeichen und Sprachen der Welt ermöglichte, was Firmen und Entwicklern eine bessere globale Nutzung ihrer Programme ermöglichte.
Aber was sollte Kuhn mit Informatik zu tun haben?
Was auch immer das bedeuten mochte, Dirk würde Kuhn im Auge behalten. Irgendwann würde er einen Fehler begehen, der ihn dann nicht nur den Job kosten würde. So gesehen konnte Dirk gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen: Er wurde seine Probleme und einen unliebsamen Büronachbarn los! Langsam begann er, der Sache sogar etwas Positives abzugewinnen.
Dirk rief sein Mailprogramm auf und ging sein Postfach durch. Er hatte eine Nachricht von Peter Brunner erhalten, und sogleich begann Dirk sich zu fragen, woher der seine Mailadresse kannte. Im Onlineprofil seiner Community hatte er sie jedenfalls nicht angegeben. Doch dann fiel ihm ein, dass Brunner ihn vor einigen Monaten wegen eines Kredits für die Sanierung seines Hauses angesprochen hatte. Dirk glaubte sich zu erinnern, dass er ihm bei der Gelegenheit seine Visitenkarte gegeben und auf der Rückseite auch seine private Mailadresse notiert hatte.
Brunners Nachricht enthielt keinen Betreff und bestand nur aus einem einzigen Satz: »Schätze, das sind Deine 15 Minuten Ruhm!« Darunter war ein Link angegeben, den Dirk sogleich anklickte, worauf die Seite einer lokalen Tageszeitung erschien. Sie zeigte ein Foto seines ramponierten Audis, dessen Kennzeichen unkenntlich gemacht worden war. Der dazugehörige Artikel fasste das Geschehen in groben Zügen zusammen, ohne dabei Namen zu nennen, und endete mit einem Aufruf der Polizei, die dringend um Hinweise bat.
Dirk schloss das zweite Browserfenster und bemerkte, dass sich auf der Seite seiner Community das Chatfenster geöffnet hatte.
>Hallo, Berühmtheit!
Es war Brunner. Dirk lächelte.
>>Ziemlich zweifelhafte Berühmtheit. Ich wurde nicht einmal namentlich erwähnt!
>Sei froh, sonst rennen Dir noch mehr Verrückte die Bude ein. Wie ist das Gespräch mit dem Anlageberater verlaufen?
>>Nicht ganz so wie geplant.
>Hört sich nicht gut an. Wenn ich Dir irgendwie helfen kann …
Dirk überlegte einen Moment. Dann zeichnete sich ein ironisches Grinsen auf seinen Lippen ab.
>>Du könntest mir den Kopf von diesem Kerl auf einem Silbertablett servieren!
>Wünsch Dir lieber nichts, was Du später bereuen könntest!
Dirk lachte lauthals auf.
>>Ich stelle Dir gerne meine Kettensäge zur Verfügung.
>Damit kannst Du es doch auch gleich selbst
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