Todesdrang: Thriller (German Edition)
Deckel des Kartons ab.
Cookie sprang augenblicklich auf, als sein Herrchen einen entsetzten Schrei ausstieß. Er kläffte und knurrte den freigelegten Inhalt der Schachtel über ihm an wie einen Eindringling.
Das Zittern in Dirks Beinen dehnte sich auf seinen gesamten Körper aus. Seine kraftlosen Hände ließen den Deckel des Kartons fallen, und er blickte voller Entsetzen auf den Inhalt.
Vor ihm stand auf einem Silbertablett der abgetrennte Kopf von Christian Kuhn.
Erst als ihm schummrig wurde und er sich abstützen musste, bemerkte er, dass ihm vor Schreck die Luft weggeblieben war. Wie ein Ertrinkender schnappte er gierig nach Luft, er japste und röchelte. Das Schwindelgefühl ließ langsam nach.
Es war doch nur ein Scherz , ging es ihm durch den Kopf, als er sich daran erinnerte, wie er sich Kuhns Kopf auf einem Silbertablett gewünscht hatte.
Wünsch dir was!
Bei diesem Gedanken lachte er bitter auf, während sich Tränen in seinen Augen bildeten. Seine Umgebung nahm er nur noch trübe und verzerrt wahr wie durch Milchglas. An der Arbeitsplatte entlang tastete er sich bis zur Spüle und benetzte sein Gesicht noch einmal mit kaltem Wasser. Schnaufend stützte er sich am Spülbecken ab. Dann ohrfeigte er sich selbst, um wieder zu Verstand zu kommen.
Reiß dich zusammen! Du darfst jetzt nicht die Kontrolle verlieren!
Das war leichter gesagt als getan. In seiner Küche lag das abgetrennte Haupt eines Menschen. Eines Menschen, den er gekannt hatte. Mit dem er sich heftig gestritten und dem er gedroht hatte, wofür es etliche Zeugen gab. Mal abgesehen davon, dass es eine Videoaufzeichnung dieser Auseinandersetzung gab, die womöglich bereits im Internet kursierte. Wenn er jemals die Kontrolle besessen hatte, war sie ihm längst entglitten.
Erschöpft fuhr er sich mit beiden Händen durch das Gesicht, als könne er dadurch seine Gedanken ordnen, die ziellos durch seinen Kopf rasten.
Kuhn war also nur eine Art Lockvogel gewesen, auf den er seinen Hass projizieren sollte, dachte Dirk. Ein Ablenkungsmanöver. Und er war darauf hereingefallen, hatte diesen Wahnsinnigen sogar auf Kuhn aufmerksam gemacht, indem er über ihn geschrieben hatte. Irgendwie musste der dann Kuhn erpresst, ihn sich gefügig gemacht haben, damit er Dirk in die Irre führte. Dirk wurde bewusst, dass er eine gewisse Mitschuld am grausamen Tod von Christian Kuhn trug. Hätte er ihn nicht verdächtigt, wäre Kuhn jetzt noch am Leben.
Ein unschuldiger Mensch ist deinetwegen getötet worden , sagte er sich.
Doch da war noch eine andere Stimme in seinem Kopf, erbarmungslos und kalt. Na und? , schien sie zu sagen. Dein Sohn ist auch draufgegangen, schon vergessen? Und es wird Zeit, jemanden dafür büßen zu lassen!
Er fuhr sich unruhig durchs Haar, wollte nicht zulassen, dass diese Bestie von ihm Besitz ergriff.
Spürst Du den Hass? Diesen nahezu übernatürlichen Drang, etwas zerstören zu wollen?
Ja, er konnte ihn spüren, er fühlte, wie der Wunsch nach Vergeltung alles andere überlagerte. Rache war jetzt das Einzige, was für ihn zählte. Und da ihm niemand, nicht einmal Konrad oder die Polizei, glauben würde, dass er nichts mit Kuhns Tod zu tun hatte, würde er diese Angelegenheit selber regeln müssen. Er war auf sich allein gestellt, wie so oft in seinem Leben. Er war bereit, Grenzen zu überschreiten und sich der Denkweise seines Feindes anzupassen. Darin sah er die einzige Chance, an ihn heranzukommen.
Langsam drehte er sich um. Cookie stand noch immer auf den Hinterpfoten und knurrte den Inhalt des Pakets an.
Gemächlich bewegte sich Dirk darauf zu. »Aus, Cookie!«, rief er. Der Hund gehorchte und setzte sich auf die Fliesen. Dirk musste all seinen Ekel überwinden, um in Kuhns Gesicht zu sehen. Seine wieselartigen Augen waren weit aufgerissen, selbst im Tod spiegelte sich das Entsetzen darin. Die Haut hatte eine gräuliche Farbe angenommen, die Haare waren blutverkrustet. Doch Dirks Aufmerksamkeit war mehr auf Kuhns Mund gerichtet. Er stand halb offen, und es hing etwas aus dem Mundwinkel heraus. Im ersten Moment hielt Dirk es für geronnenes Blut, doch als er näher kam, erkannte er, dass es ein roter Kunststoffanhänger war, der an etwas befestigt war, das silbrig aus seiner Mundhöhle schimmerte.
Angewidert und zugleich von einer morbiden Neugier gepackt, ging er noch näher heran, bis er unmittelbar vor dem Paket stand. Kuhns tote Augen schienen ihn vorwurfsvoll anzustarren. Dirk wickelte ein Küchentuch um seine
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