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Todeseis

Todeseis

Titel: Todeseis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernward Schneider
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Carran?«, flüsterte sie, als ihr Lachen verklang. »Hier bin ich! Sie können mich haben!«
    Seine Gesichtszüge entspannten sich, und endlich lächelte er.
    »Ich glaube, Sie haben mich überzeugt, Mrs. Appleton, ja, jetzt bin ich im Bilde, und nein, ich habe keine Fragen mehr an Sie.«
    »Dann befreien Sie mich von meinem Kleid, Mr. Carran!«
    Er ergriff ihre glatten Oberarme, wo diese in fein geschwungenen Linien formvollendete Kurven nach innen beschrieben, und zog sie fest an sich heran.
    »Sie dürfen mich ruhig Gladys nennen«, lächelte sie und reckte sich ihm in einer Geste entgegen, die ihre ganze Sehnsucht zum Ausdruck brachte. Endlich fanden ihre Lippen zueinander, und während sie sich küssten, streifte er den anderen Träger von ihrer Schulter, öffnete ein paar Knöpfe und zog dann das Kleid an ihrem ranken Körper herab.
    Nackt und anmutig stand sie kurz darauf vor ihm, wie ein leibhaftiges Geschenk, und sie wusste, dass sie das schönste Geschenk war, das ein Mann sich wünschen konnte.
    »Bei deiner Geburt haben die Götter gelächelt, Gladys«, flüsterte Roger Carran mit heißem Atem. »Oh Gladys, du bist unglaublich schön! Eine schönere Gestalt als die deine ist nicht denkbar.«
    Alles in ihr bebte dem Augenblick entgegen, in dem die nackte Haut seines Körpers die ihre zum ersten Mal berühren würde.
    »Und du …«, sie zerrte an seinem Hemd; »… Liebster, du bist doch auch ein Schöner! Herunter mit den Sachen! Ich will auch von dir alles sehen!«

6. Kapitel
Sonntag, 14. April 1912
     
    Gladys schlüpfte aus dem Bett und zog sich an, dann weckte sie Roger mit innigen Küssen und flüsterte ihm zu, dass sie ihn für eine Weile verlassen würde, um den Bordgottesdienst aufzusuchen.
    »Komm bald wieder«, raunte er schlaftrunken, »du fehlst mir. Ich liebe dich.«
    Der Gottesdienst fand im Speisesaal der ersten Klasse statt. Passagiere aller Klassen waren zugelassen, und die Dritte-Klasse-Passagiere betrachteten mit Ehrfurcht die luxuriöse Einrichtung. Das Schiffsorchester spielte und begleitete die Gesänge. Kapitän Smith führte einen mehrstimmigen Chor an. Die Gemeinde sang ›Almighty Father Strong to Save‹. Gladys hätte am liebsten vor Freude geweint. Sie dankte ihrem Schöpfer für ihre Schönheit, ihren wundervollen Geliebten und für die intensiven körperlichen Freuden, die sie in der vergangenen Nacht hatte erleben dürfen. Sie war glücklich und voller Zuversicht. Sie hatte keine Angst mehr vor ihren Verfolgern, mochte ihr Leben bedroht sein oder nicht. Irgendetwas hatte sich verändert in ihr. Ihre Angst war verschwunden, und sie wurde von keinen Schuldgefühlen mehr gequält. Sie fühlte sich völlig frei, und als sie zu ergründen suchte, was mit ihr geschehen sein mochte, kam ihr das Wort Erlösung in den Sinn. Ihr kamen plötzlich die Tränen, und während sie aus vollem Herzen die Lieder mitsang, die die Gemeinde anstimmte, ließ sie ihnen freien Lauf.
    Sie kehrte in die Kabine zurück, zog sich wieder aus und schmiegte sich an den nackten Körper ihres Geliebten.
    »Was du gestern Abend sagtest, ist wahr, Roger«, sagte sie. »Ich habe dir noch nicht alles erzählt. Doch ich möchte keine Geheimnisse vor dir haben. Nur wenn du alles erfährst, bin ich selbst frei.«
    »Wenn dich etwas belastet, dann lade es bei mir ab«, erwiderte er.
    »Dieser Mann, von dem ich dir erzählte«, sagte sie, »Frank Jago, Phils Mörder …«, sie unterbrach sich und sah ihn an, als wollte sie sich seiner uneingeschränkten Aufmerksamkeit vergewissern.
    »Was ist mit ihm?«, fragte er.
    Sie schlug die Bettdecke zurück und setzte sich auf.
    »Es könnte sein, dass ich ihn getötet habe«, sagte sie.
    Eine Weile sagte er nichts, sondern betrachtete sie stumm. Dann setzte er sich gleichfalls auf, und so saßen sie nebeneinander mit dem Rücken zur Wand.
    »Es könnte sein? Was hast du getan?«
    »Ich gab ihm Gift, das ich ihm heimlich in seinen Whisky kippte, als er auf der Toilette war. Ich besaß auch ein Stilett, um mich gegen ihn zu wehren, aber ich glaube, solche Angriffe hatte er einkalkuliert. Er hätte mich wahrscheinlich überwältigt, wenn ich mit dem Messer auf ihn losgegangen wäre. Aber an Gift hat er nicht gedacht.«
    »Was für ein Gift war das?«
    »Es sind Tropfen – ich glaube vom Fingerhut. Eine alte Frau aus Limehouse, meiner Londoner Heimat, gab es mir. Ein schönes Mädchen wie du muss sich wehren können, hat sie gemeint. Das Mittel sei ein Betäubungsgift und

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