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Todesengel: Roman (German Edition)

Todesengel: Roman (German Edition)

Titel: Todesengel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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einem fast vor, als ob …« Er sprach nicht weiter, kaute nur.
    »Als ob was?«, hakte Ambick nach.
    Kerner schluckte. »Ach, nichts. Nur ein blöder Gedanke.«
    »Heraus damit.«
    Der dicke Kriminaltechniker deponierte sein belegtes Brot auf den Deckel der Plastikdose, in der er es aufbewahrt hatte. »Na ja, das Abendblatt hat den Racheengel doch als so ’ne Art Batman-Verschnitt gezeichnet … Der hat ja bekanntlich eine Höhle. Und jemanden, der diese ganzen Superwaffen für ihn erfindet. Ob das hier auch so einer ist, habe ich mich gefragt.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab früher viel Comics gelesen, hab alle Filme zu Hause. Da fällt einem halt so Zeug ein.«
    Ambick hüstelte. »Eine Makarow-Pistole würde ich jetzt nicht gerade als Superwaffe bezeichnen. Eher als das Gegenteil.«
    »Ich hab doch gesagt, es war nur ein blöder Gedanke«, verteidigte sich Kerner.
    »Okay. Und weiter? Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas wie diese Faser nicht zum Patent angemeldet ist.«
    »Ja, schon. Bestimmt. Aber die Frage ist eben, wonach man suchen soll. Nach welchen Begriffen. Ich hab gestern Abend im Espacenet gesucht wie ein Verrückter, aber –«
    »Was ist das Espacenet ?«
    »Die Patentsuchfunktion des Europäischen Patentamts. Damit kann man weltweit suchen, in Anmeldungen aus über 90 Ländern.« Er wedelte mit der Hand, als störe die Nachfrage seinen Gedankengang. »Wenn man da nach Begriffen wie ›nano‹, ›fiber‹, ›fabric‹ und so sucht, kriegt man Rückmeldungen wie, ›88.000 Einträge gefunden, nur die ersten 500 werden angezeigt‹. Also muss man nach anderen Begriffen suchen, Begriffe ausschließen, und da bin ich, ehrlich gesagt, nicht so bewandert. Macht man doch eher selten als Kriminaler. Ich hab mir gestern Abend redlich das Hirn zermartert, hat aber nicht viel gebracht. Heute Morgen … okay, eigentlich erst vorhin, kurz vor Mittag … hab ich noch mal mit Frau Professor Woll gesprochen. Die hat jetzt einen professionellen Rechercheur drangesetzt.« Er sah Ambick fragend an. »Ich hoffe, das war okay?«
    Ambick überlegte kurz. »Hmm. Geben Sie mir mal lieber die Telefonnummer von dieser famosen Frau Woll. Wenn sie jemanden drangesetzt hat, der intelligent genug für den Job ist, dann kann der auch eins und eins zusammenzählen und weiß, worum es geht. Ich will den drauf einschwören, dass er den Mund hält. Nicht, dass die Presse uns noch mal in die Ermittlungen pfuscht.«
    Es klappte alles. Er fuhr in die Stadt, kaufte ein neues Mobiltelefon und holte seine Festplatte aus dem Bankschließfach. Im Sender bekam er ein Büro im Verwaltungstrakt, abseits der hektischen Redaktionsräume, das ungestörtes Arbeiten versprach: Der interne Telefonapparat stand abgeklemmt auf dem Fenstersims. Und während er das Internet nach Artikeln über Lorenz Ortheil abgraste, um eine Vorstellung davon zu gewinnen, was der Staatsanwalt sagen mochte, und sein eigenes Archiv durchging, um Zahlen und Argumente zu notieren, legte sich die Empörung, die Aufregung, die Panik wieder, die ihn bei Rados Anruf befallen hatte.
    Was hatte er zu verlieren? Ortheil würde ein paar Statements abgeben, die ihm, Ingo, nicht gefielen – na und? So war das nun mal mit der Meinungsfreiheit. Vielleicht würde er in einer Diskussion mit dem Staatsanwalt dumm aussehen, aber wen kümmerte das schon? Abgesehen davon war er der Moderator, derjenige also, der die Fragen stellte und das Wort erteilte – das hieß, er würde es sein, der den Verlauf des Gespräches steuerte.
    Auf der anderen Seite stand eine Chance, die er so schnell nicht wieder kriegen würde: Einem prominenten Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols einmal so richtig die Leviten zu lesen. All das zu sagen, was sich über die Jahre in ihm aufgestaut hatte. Und da hatte sich vieles aufgestaut. All das, was er wieder und wieder im Kopf umhergewälzt, in nächtlichen Gesprächen mit sich selbst diskutiert, in Artikel hineingeschrieben und wieder herausgestrichen bekommen hatte – all das würde er loswerden können, und zwar an den richtigen Adressaten und vor einem in den letzten Tagen enorm gewachsenen Publikum.
    Rado hatte recht. Es war seine Chance, es Ortheil heimzuzahlen. Nicht zuletzt dafür, dass er seine Wohnung hatte auf den Kopf stellen lassen. Nicht zuletzt dafür, dass er ihn in seiner Pressekonferenz lächerlich gemacht hatte.
    Ingo zog sein neues Handy heraus, rief Rado an. »Haben wir ein Video von der ersten Pressekonferenz der

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